Forschungsprojekt: Internetpräsentation - Konzept

Ein Forschungsprojekt verlangt eine chronologische und geographische Eingrenzung.

Die chronologischen Grenzen ergeben sich naheliegenderweise zunächst durch Kriegsbeginn und -ende. Sie wurden im Laufe der Forschungsarbeiten jedoch auf das Jahr 1938 ausgeweitet, weil in diesem Jahr mit dem Einmarsch in die Tschechoslowakei am 1. Oktober einerseits und der Verdrängung der deutschen Juden aus dem Erwerbsleben nach dem 9. November andererseits wichtige Weichenstellungen sowohl für den "geschlossenen Arbeitseinsatz" deutscher Juden als auch für den Arbeitseinsatz von Tschechen im Deutschen Reich erfolgten. Beides aber hatte auf der technisch-logistischen und vor allem auf der rechtlichen Ebene Modellcharakter für den späteren massenhaften Einsatz von ZwangsarbeiterInnen aus ganz Europa im Deutschen Reich.

Die geographischen Grenzen ergeben sich zum einem durch die damaligen Verwaltungseinheiten, die sich auch in den Quellenbeständen spiegeln, und zum anderen dadurch, dass eine Reihe von Göttinger Rüstungsbetrieben in den damals noch selbständigen Gemeinden Grone und Weende angesiedelt waren und sich in Geismar eine Reihe wichtiger Zwangsarbeiterlager befanden, in denen auch ZwangsarbeiterInnen untergebracht waren, die im alten Stadtkreis arbeiteten.

Stadt Göttingen (alter Stadtkreis) mit Grone, Geismar und Weende

Untersuchungszeitraum: 1938 bis Kriegsende 1945

Karte Göttingen 1966


 

Darstellung: Die Entscheidung, die Ergebnisse des Forschungsprojekts NS-Zwangsarbeit in Göttingen als Homepage im Internet zu veröffentlichen, hatte verschiedene Gründe: Da ist zum einen die Tatsache, dass seit dem Jahr 2000 eine inzwischen unübersehbare Zahl von Regionalstudien zum Thema erschienen ist und deshalb von einer weiteren Buchveröffentlichung abgesehen von regionalspezifischen Details keine grundlegend neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. Eine Internetververöffentlichung kann dagegen die in Darstellung und Umfang notwendig gegebenen Beschränkungen einer Buchpublikation überwinden und wird damit sowohl der durch die Erschließung und den Aufbau neuer Quellenbestände vorhandenen Materialfülle (Fotos, Zeitzeugenberichte) als auch dem veränderten Verhalten des am Thema interessierten Bürgers gerecht.

In vielen Bevökerungskreisen ist der Weg zur Internetsuchmaschine heute in der Regel kürzer als der zum Buch. Dies gilt insbesondere für SchülerInnen, die sich schon in der Vergangenheit aufgrund der wenigen Vorabinformationen auf der privaten Homepage der Autorin regelmäßig an diese gewandt haben. Da zudem als papierne Ergänzung vom Stadtarchiv eine im Jahre 2002 von Ulrike Ehbrecht herausgegebene Dokumentenmappe "Zwangsarbeit in Göttingen" mit 139 ausgewählten regionalgeschichtlichen Quellen für den Einsatz im Unterricht oder zum Selbststudium angeboten wird, ist die von der Politik immer wieder geforderte Zugriffsmöglichkeit der Schulen (von LehrerInnen und SchüerInnen) auf das Thema nun auf verschiedenen Ebenen gegeben.

Zum anderen aber legt das Thema selbst eine Veröffentlichung in einer anderen als einer linearen Form nah: Es gibt zum Thema NS-Zwangsarbeit abgesehen von der streng chronologischen Darstellung mindestens drei systematische Zugängne: nämlich über die von Deportation und Zwangsarbeit betroffenen Nationalitäten oder Volksgruppen, über die die ZwangsarbeiterInnen einsetzenden Betriebe oder Betriebssparten und - und das ist nicht identisch - über die (großen) Lager, in denen die ZwangsarbeiterInnen untergebracht waren und die oft nacheinander oder gleichzeitig von mehrern Betrieben genutzt wurden. In einem linearen Text muss man sich für einen dieser drei Zugänge entscheiden. Da auf die Chronologie der Kriegsereignisse aus Gründen der Verständlichkeit nicht verzichtet werden kann, wird keiner dieser drei Zugriffsmöglichkeiten in reiner Form durchgezogen werden können. In der Internetpublikation dagegen können dem Leser bzw. Nutzer alle drei Zugriffe auf das Thema nebeneinander angeboten werden und - da Redundanz kein Problem, ja sogar gewollt und notwendig ist - jeder für sich mit entsprechender Verlinkung auf die anderen Bereiche in sich verständlich und "vollständig" dargestellt werden.

 

Dokumentenmappe

Dementsprechend gibt es auf dieser Homepage drei Hauptzugänge zum Thema: Nationalitäten, Lager und Betriebe, jeweils ergänzt durch andere Sachthemen wie die geltenden Gesetze und Vorschriften, die gegen Zwangsarbeiter verhängten Sanktionen und Strafen, ihre allgemeine Versorgung (Verpflegung, Unterbringung und Bezahlung) und speziell die Versorgung der Kranken, aber auch ein so wichtiges Thema wie Tod und Geburt.

Herzstück und Mittelteil dieser Homepage aber sind die beiden Sites: Erinnerungen und Biografien und Fotos, die den ZwangsarbeiterInnen selbst ein ein Gesicht und eine Stimme geben. Das Fotoarchiv, das durch die vielen Zeitzeugenkontakte aufgebaut werden konnte, kann in dieser Internetpräsentation nicht nur nahezu vollständig präsentiert werden, es wird auch ein systematischer Zugang zu diesen Quellen gewählt, der die Fotos nicht nur als illustrierendes Beiwerk, sondern als eigenständige historische Quelle auffasst.


 
 
 Impressum