Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" |
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Die konkreten Verhandlungen über die Gründung einer Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft begannen im Februar 1999. Vorausgegangen waren eine Reihe von Sammelklagen in den USA gegen deutsche Großfirmen auf Entschädigung ehemaliger NS-ZwangsarbeiterInnen. Ergebnis der Verhandlungen war das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", das am 12. August 2000 in Kraft trat und vorsah, individuelle und allein humanitär begründete Zahlungen, auf die kein Rechtsanspruch bestand, an ehemalige Zwangsarbeiter (und einige andere Opfergruppen des Nationalsozialismus) zu leisten. Das Kapital der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" bestand aus 10 Milliarden DM, die je zur Häfte aus Mitteln der Bundesregierung und der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft aufgebracht wurde. Voraussetzung für den Beginn der Zahlungen war die in einem deutsch-amerikanischen Zusatzabkommen geregelte Rechtssicherheit, die die deutschen Unternehmen vor weiteren Klagen auf Zwangsarbeiterentschädigung schützen sollte. Diese Rechtssicherheit sahen Stiftungsinitiative und Bundesregierung im Mai 2001 nach der Abweisung einer Sammelklage gegen deutschen Banken durch eine amerikanische Bundesrichterin als gegeben an. Die Zahlungen begannen im Juni 2001 und sollen im Laufe des Jahres 2006 abgeschlossen werden.
Chronik der Zwangsarbeiter-Entschädigung bis zum Beginn der Zahlungen Die Mitgliedschaft in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft ist freiwillig und beinhaltet - darauf legte die Initiative großen Wert - kein Schuldeingeständnis, sondern sollte als ein Zeichen der Versöhnung verstanden werden. Dies hatte einerseits zur Folge, dass sich erfreulicherweise einige Firmen, die erst nach 1945 gegründet worden waren, aus Solidarität der Initiative anschlossen, und zum anderen, dass viele kleine und mittlere Unternehmen, die nicht um ihr Ansehen im Ausland besorgt sind, weil sie keine Auslandsmärkte beliefern, der Initiative nicht beigetreten sind. So sind unter den 18 Göttinger Firmen, die Mitglied der Stiftungsinitiative sind, zwar fast alle bedeutenden Rüstungsfirmen der Kriegszeit vertreten und darüberhinaus zwei Firmen, die erst seit den 1990er Jahren bestehen, jedoch beispielsweise kein Betrieb aus dem Versorgungsbereich (Bäckereien, Fleischereien etc) oder aus der reichsweit in erheblichem Maße von der Zuweisung von Zwangsarbeitern profitierenden Bauindustrie. |
Präambel des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" vom 12.8.2000
In Anerkennung, dass der nationalsozialistische Staat Sklaven- und Zwangsarbeitern durch Deportation, Inhaftierung, Ausbeutung bis hin zur Vernichtung durch Arbeit und durch eine Vielzahl weiterer Menschenrechtsverletzungen schweres Unrecht zugefügt hat, deutsche Unternehmen, die an dem nationalsozialistischen Unrecht beteiligt waren, historische Verantwortung tragen und ihr gerecht werden müssen, die in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen sich zu dieser Verantwortung bekannt haben, das begangene Unrecht und das damit zugefügte menschliche Leid auch durch finanzielle Leistungen nicht wiedergutgemacht werden können, das Gesetz für diejenigen, die als Opfer des nationalsozialistischen Regimes ihr Leben verloren haben oder inzwischen verstorben sind, zu spät kommt, bekennt sich der Deutsche Bundestag zur politischen und moralischen Verantwortung für die Opfer des Nationalsozialismus. Er will die Erinnerung an das ihnen zugefügte Unrecht auch für kommende Generationen wach halten. Der Deutsche Bundestag geht davon aus, dass durch dieses Gesetz das deutsch-amerikanische Regierungsabkommen sowie die Begleiterklärungen der US-Regierung und die gemeinsame Erklärung aller an den Verhandlungen beteiligter Parteien ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit deutscher Unternehmen und der Bundesrepublik Deutschland insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika bewirkt wird. |
Voraussetzung für eine Zahlung nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"sind Deportation aus dem Heimatland und Zwangsarbeit im Deutschen Reich unter besonders schlechten Lebensbedingungen ist. Daher sind nach diesem Gesetz Anspruchsberechtigte für eine Entschädigungszahlung (abgesehen von den als gesonderte Gruppe berücksichtigten KZ- oder Ghettohäftlingen) vor allem die Zwangsarbeiter aus Polen oder der ehemaligen Sowjetunion, nicht aber diejenigen, die aus Westeuropa stammten.
Die Auszahlung der Gelder erfolgte über sog. Partnerorganisationen in den Ländern, in denen die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter lebten. Jedes Land erhielt aus dem Stiftungsvermögen eine feste Summe, die nach den Vorgaben des Gesetzes verteilt werden konnte. Dabei nutzten die Partnerorganisationen insbesondere die Möglichkeit auch ehemalige landwirtschaftlichen Zwangsarbeitern in den Kreis der Zahlungsempfänger aufzunehmen, dies allerdings um den Preis, dass den im industriellen und gewerblichen Bereich tätig gewesenen Zwangsarbeitern eine geringere Summe ausgezahlt wurde. Übersicht über die an die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen geleisteten Zahlungen. Die Beweispflicht für die erlittene Deportation und geleistete Zwangsarbeit lag nach § 11 Absatz 2 des Gesetzes bei den Antragstellern, also den ehemaligen Zwangsarbeitern, allerdings konnte bei fehlenden Dokumenten die Zwangsarbeit auch "glaubhaft" gemacht werden. In den aus diesen Bestimmungen resultierenden aufwändigen Nachweisverfahren waren vor allem die kommunalen Archive gefordert. |
Leistungsberechtigt nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ ist wer
1. in einem Konzentrationslager im Sinne von § 42 Abs. 2 Bundesentschädigungsgesetz oder in einer anderen Haftstätte außerhalb des Gebietes der heutigen Republik Österreich oder einem Ghetto unter vergleichbaren Bedingungen inhaftiert war und zur Arbeit gezwungen wurde, 2. aus seinem Heimatstaat in das Gebiet des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 oder in ein vom Deutschen Reich besetztes Gebiet deportiert wurde, zu einem Arbeitseinsatz in einem gewerblichen Unternehmen oder im öffentlichen Bereich gezwungen und unter anderen Bedingungen als den in Nummer 1 genannten inhaftiert oder haftähnlichen Bedingungen oder vergleichbar besonders schlechten Lebensbedingungen unterworfen war …; Die Partnerorganisationen können im Rahmen der ihnen nach § 9 Abs. 2 zugewiesenen Mittel Leistungen auch solchen Opfern nationalsozialistischer Unrechtsmaßnahmen, insbesondere Zwangsarbeitern im landwirtschaftlichen Bereich, gewähren, die nicht zu einer der in Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fallgruppen gehören. |
Literatur:
Susanne-Sophia Spilotis, Verantwortung und Rechtsfrieden. Die Stiftungsiniative der deutschen Wirtschaft, Frankfurt am Main 2003.
Ulrike Winkler (Hg.), Stiften gehen - NS-Zwangsarbeiter und Entschädigungsdebatte, Köln 2000.