Göttinger Betriebe, die Zwangsarbeiter beschäftigten

Wie in allen anderen Städten auch kann man auch in Göttingen davon ausgehen, dass alle Betriebe oder kommunalen oder staatlichen Einrichtungen, die während des Zweiten Weltkrieges weiter produzierten bzw. einfach nur weiter funktionierten, dies nur mit der Hilfe von ZwangsarbeiterInnen konnten. Nicht nur die großen Rüstungsfirmen, auch der Göttinger Mittelstand wie etwa die Baufirmen, der Kohlenhandel, Textilbetriebe oder die Fuhrunternehmen und auch die Bäckereien, die Fleischereien, die anderen Versorger wie Schuhmacher oder Tankstellen, Gasthäuser und Hotels und im staatlichen oder kommunalen Bereich nicht nur die Reichsbahn, sondern auch die kommunalen Betriebe wie die Gaswerke oder die Müllabfuhr beschäftigten Zwangsarbeiter. Wenn man dazu noch bedenkt, dass Zwangsarbeiterinnen auch in Göttinger Haushalten eingesetzt waren, dann ist offensichtlich, dass ZwangsarbeiterInnen im zivilen Kriegsleben der Göttinger allgegenwärtig waren. Aufgrund der ihnen zugestandenen (begrenzten) Bewegungsmöglichkeiten waren sie auch außerhalb der Betriebe und Lager anzutreffen, so dass schlechterdings kein Göttinger vorstellbar ist, der nicht auf die eine oder andere Weise mit den häufig unterernährten, unzureichend gekleideten und durch die harte Arbeit erschöpften ZwangsarbeiterInnen konfrontiert war. Ihre ständige Gegenwart war - abgesehen vielleicht von der gleichzeitig zunehmenden "Verweiblichung" des städtischen Lebens - sicher die größte und augenfälligste Veränderung im Alltags- und Arbeitsleben der Zivilbevökerung.

Göttinger Adressbuch 1937

Eine zufällig aus dem Göttinger Adressbuch 1937 herausgegriffene Seite. Von den dort werbenden Firmen beschäftigen alle während des Krieges Zwangsarbeiter. Lediglich für die Biergroßhandlung Lübcke ließ sich dies bisher nicht konkret nachweisen. Die Produktwerbung für Edeka-Kaffee steht hier für die entsprechende Verkaufsstelle.

 

Die Einteilung der Betriebe folgt ihrer quantitativen und qualitativen Bedeutung für die Zwangsarbeiterbeschäftigung:
Deshalb stehen Reichsbahn, Rüstungsbetriebe und Wehrmacht an erster Stelle. Die städtischen Betriebe werden wegen ihrer spezifischen Bedeutung für die Kommunalgeschichte gesondert behandelt. Unter dem Stichwort "produzierendes Gewerbe" sind dann das Baugewerbe, metall- und holzverarbeitende Betriebe, Textil- und Papierfabriken zusammengefasst. Mit "Versorger" sind alle Betriebe gemeint, die Produkte für den täglichen Lebensbedarf produzierten oder verkauften: von Lebensmitteln über Schuhe bis zu Kohlen und Benzin. Sie bilden wegen ihrer Bedeutung für den Alltag aller Göttinger Bewohner eine gesonderte Kategorie. Zu den "Dienstleistern" zählen beispielsweise Speditionen und Fuhrunternehmen, Wäschereien und der andernorts noch nicht erfasste Handel. In den privaten Haushalte arbeiteten ausschließlich Zwangsarbeiterinnen. Dort gab es den direktesten und persönlichsten Kontakt zwischen Zwangsarbeitern und der einheimischen Bevölkerung. Im Gesundheitswesen waren Zwangsarbeiter sowohl Objekte der "Fürsorge" als Kranke als auch in der Pflege und als Putzfrauen tätig. Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft wurde in den heute nach Göttingen eingemeideten Dörfern Geismar, Weende und Grone geleistet.


 
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