NS-Zwangsarbeit: Jan v. d. G., geb. 19.11.1924, deportiert am 19.5.1944 und am 11.11.1944 (zunächst Dortmund, dann Flucht und erneute Deportation nach Deutschland / Reichsbahn)

Jan v.d. G. beschrieb seine Zwangsarbeit in Deutschland in einem Brief vom 20.10.2002 (kleinere Fehler in der deutschen Grammatik wurden berichtigt); ergänzt wird seine Schilderung durch ein Telefoninterview mit Cordula Tollmien, das am 25.10.2002 stattfand:

"Ich bin Jahrgang 1924. Dieser Jahrgang wurde 1943 verpflichtet in Deutschland arbeiten zu gehen. Am liebsten als Hilfsarbeiter!

Auf Grund von falschen medizinischen Papieren habe ich einen Ausweis bekommen, so dass ich bei der Distributicking Rotterdam (Ausgabe Lebensmittelkarten usw. ) arbeiten konnte [Jan hatte ursprünglich nach Soest gesollt - C.T.]. Diese falschen Papiere sind vom Arbeitsamt entdeckt worden. Dadurch wurde ich am 19.5.1944 nach Walsum (heute Gemeinde Duisburg) geschickt, um dort zu arbeiten bei der Firma C. van Hensbergen, damals ansässig in Tiel (Holland). Diese Firma war eine holländische Baufirma, die als Subbauunternehmen tätig war bei den Thyssen Gas- und Wasserwerken [der 1921 Thyssengas GmbH - C.T.]. Diese Firma ist nach dem Krieg in Holland verurteilt wroden wegen collaboratie mit dem Feind. Diese Firma besteht heute nicht mehr."

Jan v.d. G. arbeitete als Kontorist in Dortmund und konnte auf Urlaub nach Hause fahren. Dies nutzte er zum Untertauchen:

"Ich bin einmal untergetaucht und zwar im September 1944 (keine Papiere!). Die Alliierten waren schon in Holland und wegen der Schlacht bei Arnheim (um den 17.9.1944 Luftlandtruppen) [17.9.1944 Beginn der alliierten Luftlandeoperation bei Arnheim - C.T.] war es natürlich nicht möglich nach Walsum zurück zu kehren.

Ich bin untergetaucht bei einer Familie in einem anderen Ortsteil von Rotterdam (Trindorp Vreuwyk) [Jan lebte damals in Rotterdam - C.T.]. Im Oktober 1944 bin ich, da wir alle dachten, dass der Krieg bald zu Ende sein würde, wieder nach Hause gegangen.

Am 11.11.1944 sind wir bei einer Razzia in Rotterdam mit ungefähr 50.000 Personen verschleppt worden nach Deutschland [auch die Holländer, so berichtete Jan v.d. G., wurden zu diesem Zeitpunkt wie die osteuropäischen Zwangsarbeiter in Güterwaggons deportiert - C.T.], und zwar nach Hüpstedt in Thüringen in ein umgebautes Kinderheim. Ich musste arbeiten bei der Deutschen Reichsbahn ohne Gehalt! Ich habe dort zusammen mit französischen Kriegsgefangenen im Wald gearbeitet. [Es sollte dort - nach Aussage von Jan v.d. G. - ein neues Lokomotivwerk gebaut werden, falls Göttingen bombardiert werden würde. Er wurde krank von der Arbeit, hatte offene Beine und es gab wenig zu essen - C.T.]

Später (ich denke mal Mitte Februar 1945) wruden wir in Göttingen, in einer Turnhalle untergebracht, in der Nähe des Bahnhofs."

In dieser Turnhalle, seien viele arbeitsunfähige Leute untergebracht gewesen, erzählte Jan van d. G. in dem Telefoninterview. Es handelte sich also dabei offensichtlich um eines der Lazaretts, die in den Göttinger Schulen eingerichtet worden waren, vielleicht in der Voigtschule in der Bürgerstraße. Jan v.d. G. sollte noch in einer Flugzeugfabrik arbeiten, hat sich dort aber nicht mehr gemeldet. Beim Beschaffen von Lebensmitteln wurde er in einem Göttinger Dorf von NSDAP-Leuten aufgegriffen, die ihm dem Arbeitsamt meldeten, das ihn aber nicht weitervermittelte, weil er arbeitsunfähig war. Ein weiteres Mal wurde er von der Polizei geschnappt, so geschlagen, dass seine Brille kaputtging, aber nicht ins Gefängnis eingeliefert und auch nicht der Gestapo übergeben, sondern wieder zurück in die Turnhalle gebracht. Nachdem der Göttinger Bahnof bombardiert worden war [das war am 7. April 1945, nur einen Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner in Göttingen - C.T.], habe er sich ohne Fahrkarte in einen Zug nach Hannover gesetzt. Dem Arbeitsamt dort habe er erzählt, er komme aus alliiertem Gebiet und habe seine Papiere verloren. Er kam daraufhin in ein Flüchtlingslager in Lüneburg, wieder in eine Schule, und fuhr von dort - wieder illegal - nach Gronigen und weiter nach Rotterdam. Bei Kriegsende sei er dann schon zu Hause gewesen, so Jan v.d. G. abschließen.

Verpflichtungsbescheid zur Arbeit bei einer in Dortmund ansässigen holländischen Firma

Reichsbahnausweis eines holländischen Zivilarbeiters

Ausweis der Reichsbahn, gestempelt am 20. März 1945 mit Gültigkeit bis 15. März 1947.

 


 Impressum