Dankbriefe ehemaliger ZwangsarbeiterInnen an die Göttinger Direkthilfe

Andrej Artjomowitsch aus Charkow schrieb am 8.5.2001 (Zwangsarbeit bei der Reichsbahn, zunächst in Tier, dann in Göttingen):

Guten Tag sehr geehrte und liebenswürdige Menschen Deutschlands!

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich Ihre Hilfe im Wert von 500 DM am 14. Mai 2001 bekommen habe. Am 8. Mai (vor dem Feiertag) habe ich die Benachrichtigung von Ihnen bekommen [dass das Geld überwiesen wurde]. Vor Freude habe ich geweint, jetzt schreibe ich diese Antwort und weine ...

Für Ihre große Hilfe bin ich Ihnen sehr dankbar! Ich wäre gern nach Deutschland gekommen, um mich vor Ihnen zu verbeugen. Am 9. Mai (Kriegsende) habe ich eine Kerze in unserer Kirche für Eure Gesundheit angezündet.

Ich bedanke micht für Alles! Mit tiefster Verbeugung! [...]

Nochmals vielen Dank und auf Wiedersehen!

Mit viel Liebenswürdigkeit

Andrej Artjomowitsch

Wenn möglich, helfen Sie mir bitte weiter. Ich wäre Ihnen sehr dankbar und würde für Euch und für das ganze deutsche Volk beten.


Nikolaij Aleksandrowitsch aus der Stadt Berdjanks schrieb am 12.4.2001 (Zwangsarbeiter bei der Reichsbahn in Göttingen, dann bei einer Baufirma in Eschwege, von dort in das Arbeitserziehungslager KZ Breitenau eingewiesen, danach Zwangsarbeit in der Landwirtschaft):

Sehr geehrte Cordula Tollmien,

ich bin Ihnen und Ihren Freunden unendlich dankbar für die angebotene Hilfe. [...]

Es ist mir peinlich mit anzusehen, in welcher Zeit wir leben: Fabriken und Betriebe sind auf Eis gelegt, aber die Zahl der Millionäre erhöht sich ständig. Vor zwei Jahren waren es 40 Millionäre, jetzt sind es schon 114 (Rede der Deputierten Natalija Wetronko). 65-70 % des Familienbudgets geht für Miete drauf, 15 % für die Apotheke.

Wenn ein Mensch sehr krank ist und nicht so viel Geld für die medizinische Behandlung hat, kann er seinen Stock nehmen und langsam zum Friedhof gehen.

Das Geld, das wir fürs Altwerden zurück gelegt haben, bekommen wir nicht. Auf die Frage "Wann findet die Auszahlung statt?", erhielten wir die Antwort: "Der Staat hat dafür kein Geld." Und für die 114 Leute hat der Staat Geld gefunden...

Vor Kurzem hat unserer Regierung eine peinliche Verordnung erlassen: Wer 100 Jahre alt ist, der bekommt Geld, aber nicht mehr als 2000 Griwen.

Meine Frau und ich haben ein Konto (13000 Rubel), aber wir können das Geld nicht abheben. So ist das bei uns! [...]

Mit freundlichen Grüßen

Nikolai Aleksandrowitsch


Der Brief von Sofija Stepanowna aus der Stadt Stolin (Weißrussland) traf am 14.5.2001 in Göttingen ein (als 14jährige Zwangsarbeit in den Aluminiumwerken):

Sehr geehrte Mitarbeiter des Göttinger Stadtarchivs, Frau Dr. Cordula Tollmien und Herr Dr. Ernst Böhme!

Wir möchten uns bei Ihnen für Ihr Feingefühl und für die Sorgen, die Sie sich um uns machen, bedanken.

Wir haben einen Brief von Ihnen bekommen und wir haben auch schon geantwortet (alle Angaben, die Sie benötigen, haben wir aufgeschrieben).

Nochmal vielen Dank, wir umarmen und küssen Euch und wir beten für Euch, dass es noch solche Menschen gibt.

Wir wünschen Euch alles Gute!

Sofija


Agafia Sacharowna aus der Stadt Korosten schrieb am 20.4.2001 (Zwangsarbeit in den Göttinger Universitätskliniken, danach bei Josef Schneider & Co, heute ISCO):

Sehr geehrte Frau Tollmien und Ihre Kollegen und Kolleginnen:

Ihre Aufmerksamkeit hat mich sehr berührt. Ich will in dieses Hilfsprogramm aufgenommen werden. [...]

Hochachtungsvoll

Agafia Sacharowna


Nina Timofejewna aus einem Dorf in der Westukraine schrieb uns im April 2001 (Zwangsarbeit in der Textilfabrik Schöneis, danach bei der Reichsbahn):

Guten Tag, sehr geehrte Frau Dr. Cordula Tollmien und Herr Dr. Ernst Böhme,

es schreibt Ihnen Nina Tomofejewna. Ich habe Ihren Brief bekommen und möchte mich bei Ihnen für die materielle und moralische Unterstützung bedanken. Viele Dank liebe und gute Leute für Ihre Arbeit, die Sie für solch arme Menschen, wie ich es bin, tun, und für Ihre Hilfe.

Mein ganzes Leben arbeitete ich in der Landwirtschaft und alles, was ich gespart habe (auf meinem Konto), hat die Regierung auf Eis gelegt. [...]

Nochmals vielen Dank für Ihre Unterstützung und für Ihre Sorgen.

Es gibt immer noch gute Menschen auf unserer Welt! Gott möge Euch schützen!

Mit freundlichen Grüßen

Nina Timofejewna


Martyn Lawrentjewitsch aus der Stadt Pinsk schrieb am 20.4.2001 (Zwangsarbeit zunächst bei einem Bauern in Wöllmarshausen, dann in der Papierfabrik Rube in Weende):

Liebe Freunde,

ich möchte mich bei Ihnen bedanken für die Bescheinigung, die bestätigt, dass ich in Göttingen während des Krieges Zwangsarbeit geleistet habe.

Am heiligen Ostersonntag habe ich noch eine Nachricht bekommen, die Nachricht über Ihre freundliche Unterstützung, die monatliche Hilfe von Bürgern der Stadt Göttingen. Das war für uns wie ein Gottes Geschenk!

Für mich und meine Familie war das sehr berührend, dass die Göttinger Bürger uns Hilfe angeboten haben, in diesen für uns sehr schweren Zeiten. Natürlich möchte ich in dieses Hilfsprogramm aufgenommen werden. [...]

Viele Grüße an Sie und an die Bürger der Stadt Göttingen.

Gott soll Ihnen helfen bei Ihrer Arbeit!

M. L.


Am 2.5.2001 erreichte uns ein Brief des Sohnes von Olga Aleksejewna aus einem Dorf südwestlich von Kiew (Zwangsarbeit bei der Firma Phywe):

Guten Tag, sehr geehrter Dr. Böhme Ernst, Dr. Cordula Tollmien und die anderen Mitglieder der Initiativgruppe! Ich gratuliere Ihnen zu Ostern und wünsche Ihnen und Ihren Familien Gesundheit für viele, viele Jahre!

Christus ist auferstanden! Christus ist auferstanden! Christus ist auferstanden!

Ihren Brief haben wir gerade vor diesen wirklich großen Festtag bekommen. Die Inhalt dieses Briefes hat uns sehr berührt. Wenn man einen solchen Brief liest, wird es schwer zu atmen.

Warum machen denn unser Leben, unsere materiellen Lebensumstände Ihnen Sorgen, aber nicht unserer heutigen Regierung? Und noch viele, viele Fragen.

Und die Antwort ist die folgende:

Wir wurden von den MENSCHEN gehört. Im vollen Sinne dieses Wortes. Und die materielle Seite ist nicht so wichtig, sondern die moralischen Beziehungen, die höfliche Anrede, das Taktgefühl in Ihren Briefen. Und das berührt uns sehr.

Als die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Deutschland in bezug auf die Entschädigung noch am Anfang waren, haben wir uns an unsere republikanische Gebiets- und Bezirksarchive mit entsprechenden Anfragen gewandt. Und immer haben wir eine schablonenhafte und kalte Antwort bekommen. Niemand hat sich an uns mit einer solchen Anrede gewendet: "Sehr geehrte ... ", " Liebe ... " , " Meine Damen und Herren... ! " u.s.w.

Als meine Mutter noch nicht an Sklerose litt, hat sie mir oft gesagt :

"Mein Sohn ! Wenn wir die Möglichkeit hätten, würden wir in diese Fabrik fahren und unseren Bürokraten die Unterlagen von dort mitbringen, die sie von uns verlangen.

Es wäre sehr interessant zu erfahren, ob diese Fabrik noch am demselben Ort steht, an den meine Mutter sich erinnert oder ist sie schon lange verschwunden. Ist der Friedhof geblieben? Und überhaupt, ist es dort und jetzt auch noch so schön wie früher, wie meine Mutter sich erinnert? Dort waren Keller in den Häusern, in denen in damals viele Konserven waren.

Entschuldigen Sie uns bitte, dass wir Ihre Zeit mit unseren Erinnerungen stehlen.

Wenn Sie sich für irgendetwas interessieren, werden wir Ihnen darüber schreiben. Aber erst nachdem wir mit unseren Landwirtschaftsarbeiten fertig sind. Was wir jetzt säen werden, davon werden wir uns das ganze Jahr ernähren. Dann fahre ich mit meiner Mutter in das Dorf Kalinowatka, mache ihre Schwester ausfindig und lese ihr alle Ihre Briefe vor. Alles, woran sie sich danach erinnern wird, an Leipzig und Göttingen, werde ich Ihnen beschreiben.

Mit herzlichem und freundlichem Gruß

Olga Aleksejewna und Sohn Aleksander


Am 9.6.2001 schrieb uns Grigorij Petrowitsch aus der Stadt Slawuta (Zwangsarbeit bei der Firma Ruhstrat):

Sehr geeehrte Ulla Borchardt, Angelika Deese, Dr. Cordula Tollmien, Dr. Ernst Böhme, Pastor Helmhard Ungerer, Burkhart Klein, Pastor Peter Lahmann, Wolfgang Langmack, Uwe Reinecke. Guten Tag!

Am 8.6. 2001 habe ich Ihre Geldüberweisung bekommen (210,- USD), das Geld wird nur in USD ausgezahlt. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für Ihre materielle und moralische Unterstützung, man kann fast sagen: Ich bin jetzt reich! Ich kann mir eine groß Gasflasche kaufen, ich kann mich besser ernähren, ich kann mir notwendige Medikamente leisten.

Ich bin sehr froh, ich kann es nicht vergessen, und ich glaube, ich träume nur. Vielen, vielen Dank an Euch alle - gütige Menschen! Ich wünsche Euch Gesundheit, viel Glück in Euren Familien und haben Sie viel Freude in Ihrem Leben.

Gott soll Euch beschützen für die Mühe, die Sie sich um uns machen und für Ihre Hilfe. Wenn ich meine Entschädigung bekomme und wenn dann eine solche Möglichkeit besteht, komme ich auf jeden Fall nach Göttingen. Ich möchte noch einmal diese wunderschöne Stadt besichtigen, ich möchte mich dort an meine Jugend erinnern, obwohl die so schwer war. Ich möchte diese Stadt als freier Mensch betrachten. Vielleicht leben noch Menschen, die mir während des Krieges geholfen und mich gerettet haben.

Nochmals vielen Dank!

Hochachtungsvoll Grigorij Petrowitsch


Am 13.8. 2001 schrieb uns Pelageja Artjomowna aus dem Dorf Pisarewka, Chmelnizkaj Gebiet (Zwangsarbeit in der Firma August Fischer):

Guten Tag sehr geehrte Dr. Ernst Böhme, Dr. Cordula Tollmien und alle Mitglieder der Initiativgruppe "Göttinger Direkthilfe". Es schreibt Ihnen Pelageja Artjomowna. [...]

Ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar: 60 Jahre sind vergangen, aber es gibt noch gute Menschen in einem fremden Land, die an uns denken und uns helfen.

Für das Geld, das ich bekommen habe, kann ich mir gute Medikamente kaufen (ich bin sehr krank). Seit zwei Jahren bin ich an mein Bett gefesselt, der Grund - viele Krankheiten. Im Juni dieses Jahres hatte ich eine Lungenentzündung. Mehr als die Hälfte meiner Rente (die Rente beträgt jetzt 72,- Griwen, ca 25,- DM) muss ich für Medikamente ausgeben.

Nochmal vielen Dank!

Gott beschütze und behüte Sie und Ihre Familien, Sie sollten immer im Wohlstand leben. [...]

Ich möchte mich bei Ihnen bedanken und zwar öffentlich durch eine deutsche oder russische Zeitung, oder das Fernsehen. Wie kann ich das am besten machen? [...]
Auf Wiedersehen.

Hier ist meine Unterschrift: Pelegaja Wassiljewna
Es hat geschrieben, Nalja, die Tochter.

Viele Grüße auch von mir.

Meine Muter kann selbst keine Briefe schreiben, weil sie zu krank ist, und sie schreibt auch fehlerhaft.


Am 24.8. 2001 schreib uns Galina Fedosejewna aus der Stadt Kremennaja
(Zwangsarbeit zunächst im Haushalt des Lehrers Friedrich B. in Friedland,
dann im Reichsbahnausbesserungswerk):

Sehr geehrte Frau Dr. Cordula Tollmien und Herr Dr. Ernst Böhme,

ich habe Ihre Geldüberweisung im Wert von 500,- DM bekommen. Ich bin so aufgeregt, ich weine vor Freude. Ich bin Ihnen sehr dankbar. In meinem ganzen Leben habe ich von keinem so viel Hilfe bekommen, auch von meinen Eltern nicht. Wir waren 6 Kinder und unsere Vater war Invalide. [...] Und jetzt bekomme ich plötzlich so viel Geld! Ich habe dieses Geld sehr nötig! Jetzt kann ich meinen Gesundheitszustand verbessern. Mein Mann ist schon vor 20 Jahren gestorben. Ich habe eine Tochter, drei Enkelkinder und drei Urenkelkinder. Es ist eine große Familie und jeder hat seine eigenen Probleme.

Euch hat mir wahrscheinlich der liebe Gott geschickt. Ich werde für Ihre Gesundheit und für die Gesundheit Ihrer Kinder, Enkelkinder und Urenkelkinder beten.

Grüßen Sie mir bitte Ihre Kollegen und Kolleginnen!

Galina Fedosejewna


Am 22.11.2001 erreichte uns ein Brief von Efrosinja Wassiljewna aus dem Dorf Schemtschutschena, Krimskaja Gebiet (Zwangsarbeit in der Göttinger Leinenweberei, später bei Sartorius):

Cordula Tollmien und Helmgardt Ungerer !

Vielen Dank für Ihre Hilfe, Ihren Brief und Ihre Aufmerksamkeit !

Mein Dankbarkeit kennt keine Grenzen. Das Geld habe ich bekommen. [...]

Ich habe von August bis Oktober im Krankenhaus gelegen. Ihr Geld hat mir sehr geholfen, noch ein Mal herzlichen Dank. Ich möchte gern mein Leben noch ein bisschen verlängern und meine Gesundheit verbessern. Aber es ist so schwer.

Von ganzen Herzen wünsche ich Ihnen Gesundheit und Erfolg in Ihrer edelmütigen Arbeit.

Gott schützte Euch!

Hochachtungsvoll E. W.


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