Göttinger Direkthilfe für ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen

Anfang 2001 war nicht abzusehen, ob und wann die ehemaligen deutschen ZwangsarbeiterInnen jemals Geld aus der im August 2000 durch begründeten Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" erhalten würden: Die freiwilligen Zahlungen der deutschen Industrie in den Stiftungsfonds gingen nur tropfenweise ein und das unwürdige Gezerre um die Rechtssicherheit wird als ein trauriger Höhepunkt in die Geschichte des deutschen Entschädigungswesens eingehen. Sensibilisiert durch die Anfragen und Briefe ehemaliger Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die im Göttinger Stadtarchiv eingingen, beschloss eine kleine Gruppe von Göttinger Bürger und Bürgerinnen deshalb im Februar 2001, die ständigen Verzögerungen von Industrie und Politik nicht länger tatenlos hinzunehmen. Die Göttinger Direkthilfe für ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen wurde gegründet, ein Konto bei einer Kirchengemeinde eingerichtet und die Göttinger Bürger und Bürgerinnen zu Spenden aufgerufen.

Mitglieder dieser ersten Inititativgruppe der Göttinger Direkthilfe waren Ulla Borchard, Angelika Deese, Dr. Cordula Tollmien, Dr. Ernst Böhme, Burkhart Klein, Pastor Peter Lahmann, Wolfgang Langmack, Uwe Reinecke, Pastor Helmhard Ungerer. Technisch abgewickelt wurde die Unterstützungszahlungen in erster Linie von Helmhard Ungerer und Cordula Tollmien, die auch den Kontakt zu den ehemaligen ZwangsarbeiterInnen hielt. Einzelne Spender nahmen auch selbst brieflichen Kontakt zu den ehemaligen ZwangsarbeiterInnen auf.

In der Göttinger Bevölkerung fanden wir viel Zustimmung und Unterstützung für unser Anliegen. Über 100 Personen (darunter auch einige Nicht-Göttinger) und Institutionen (mehrere Kirchengemeinden, die städtische Sparkasse und die Volksbank, der Baumarkt OBI, der Rotary Club, die FDP, die PDS und Vertreter anderer Parteien durch eine persönliche Spende) haben zwischen 20,- DM und 1800,- DM gespendet. Auch das Buxtehuder Familienunternehmen SYNTHOPOL CHEMIE unterstützte die Direkthilfe mit 10 000 DM. Das 1957 gegründete Unternehmen war auf der Suche nach einer Möglichkeit, außerhalb der Bundesstiftung direkt und unbürokratisch etwas für die ehemaligen Zwangsarbeiter zu tun, und ist so auf die Göttinger Direkthilfe gestoßen.

Das Gesamtspendenaufkommen betrug bis zum April 2005 78 000 Euro. Davon hatten 140 Menschen vornehmlich in den Jahren 2001 bis 2003 in der Regel zweimal, in Ausnahmefällen auch dreimal, eine Überweisung von 250,00 Euro erhalten; unterstützt wurden speziell auch Witwen, deren Männer vor dem 16. Februar 1999 (dem Verhandlungsbeginn der Stiftungsinitiative) gestorben waren und die nach dem Gesetz keinen Anspruch auf eine Entschädigung hatten.

Die Dankbarkeit der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen war überwältigend.

Mit dem Jahr 2005 hat die Göttinger Direkthilfe ihre Arbeit weitgehend einstellen müssen: Die Zahlungen über die Bundesstiftung sind inzwischen erfolgt, auch wenn dieses Geld - für die meisten Betroffenen lediglich ein einmaliger Betrag zwischen 750 und 1750 Euro - in vielen Fällen längst für die alltäglichen Bedürfnisse ausgegeben wurde und weitere Hilfe nach wie vor notwendig ist. Aber es ist finanziell, organisatorisch und personell nicht mehr zu schaffen, die ehemaligen Göttinger ZwangsarbeiterInnen regelmäßig zu unterstützen.

Die Direkthilfe ist daher dazu übergegangen, nur noch in akuten Notfällen einzelner Personen zu helfen - und dies, wenn es notwendig sein sollte, auch einmal mit einer größeren Summe. Anläßlich eine Reise in die Ukraine im September 2005 konnte Cordula Tollmien dank der Großzügigkeit einiger weniger Einzelpersonen daher noch einmal Spenden von insgesamt 10 800 Euro an ehemalige ZwangsarbeiterInnen übergeben.

Dankbrief

Dankbrief eines ehemaligen Zwangsarbeiters, nachdem er erstmals Geld von der Göttinger Direkthilfe erhalten hatte.

 

 

 

 

 

Cordula Tollmien mit vier ehemaligen Zwangsarbeiterinnen

Cordula Tollmien mit vier ehemaligen Göttinger Zwangsarbeiterinnen im September 2005 in der Ukraine.

 
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