NS-Zwangsarbeit: Michail Stepanowitsch R., geb. 15.10.1923, Deportation 1942 (Kohlenhandlung Wolters)

Michail Stepanowitsch R., geb. am 15. Oktober 1923, wurde 1942 (ein genaues Datum gab er nicht an) aus der Ukraine nach Deutschland deportiert. Urprünglich hatte man seine ältere Schwester auch mitnehmen wollen, doch war diese mit ihrem zwei Jahre alten Sohn zur Sammelstelle gekommen und man hatte sie deshalb wieder nach Hause geschickt. Insgesamt wurden aus diesem Dorf zehn Menschen verschleppt. Transportiert wurden sie einem Güterzug, der von bewaffneten Soldaten bewacht war, transportiert, dabei stand der Zug einmal einen ganzen Tag, weil er repariert werden musste.

Michail Stepanowitsch arbeitete in Göttingen als Ladearbeiter für die Kohlenhandlung Wolters, in der Regel von 7 bis 19 Uhr, wenn etwas sehr eilig war, auch nachts. Der Chef Wolters wie auch sein Meister seien sehr anständige Leute gewesen. Ein besonders netter deutscher Arbeiter habe August gehießen. Entlohnt worden seien sie mit 5 oder 10 Mark im Momant, aber für dieses Geld hätten sie sich nichts kaufen können.

Untergebracht war er mit noch zwei anderen "Ostarbeitern", die bei Wolters arbeiteten, im Lager Schützenplatz:

Auf die Frage, wie viele Menschen im Lager Schützenplatz untergebracht gewesen seien, antwortete Michail Stepanowitsch: "Es ist unmöglich, diese Frage zu beantworten, weil wir kein Recht hatten, uns frei durch das Lager zu bewegen. Jeder kannte nur seine Baracke und sein Zimmer. Wir gingen zur Arbeit und zurück frei, aber in die Stadt durften wir nicht."

"Unsere Kleidung sah sehr schlecht aus. Wir hatten das an, was wir aus der Ukraine mitgebracht hatten. Während der ganzen Zeit wurde uns nur ein Baumwolleanzug mit der Aufschrift „OST“ ausgegeben."

"Wir haben die ganze Zeit gehungert. Während der ganzen Zeit haben wir nicht gesehen: Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Butter, Obst, Beeren, Weißbrot, Gebäck u.s.w. Wenn ein Mensch immer Hunger hat, ist er immer krank. Man muss den Mut haben und auf den Füßen in Bewegung bleiben, nur dann kann einer gerettet werden."

"Ich war Augenzeuge eines brutalen Luftangriffs Ende Februar, Anfang März 1945, sonntags, etwa gegen 12.00 mittags. Wir trafen uns gerade in der Baracke. Die Baracke wurde völlig zerstört, zusammen mit den Menschen. Ich erlitt eine Quetschung." Nach der Beschreibung meinte Michail Stepanowitsch eindeutig der Angriff am 1.1.1945 auf das Lager Schützenplatz gemeint.

"Wir wurden von der amerikanischen Armee zwischen dem 1. und 8 .04.1945, sonntags, am Mittag, ungefähr gegen 12.00- 14.00 Uhr, befreit . Es war ein sonniger und warmer Tag."

Michail Stepanowitsch, der nach dem Krieg als Buchhalter arbeitete, machte in seinen Erinnerungen nicht viel Worte. Um so eindrücklicher ist es, wenn er auf den ersten von uns erhaltenen Brief schreibt: "Ich bedanke mich bei Ihnen für den schönen Brief an mich. Das ist der erste Brief an mich von einem deutschen Menschen."

Ein von dem Fotografen Blankhorn aufgenommenes Gruppenfoto von ehemaligen "Ostarbeitern".
Michail Stepanowitsch schrieb zu diesem Foto: "Ich sende Ihnen das Foto, das ich in meinem Brief erwähnt habe. Dieses Foto ist in Göttingen am 14. 05. 1945 aufgenommen worden. Wenn Sie sich das Foton, stehe ich als erster links. Wenn Sie das Foto mit der linken Hand von der linken Seite halten, halten Sie meine rechte Hand. Das ist also, liebe Cordula, unser erster Händedruck. Ich bitte Sie das Datum, an dem Sie den Brief bekommen haben, zum Gedenken aufschreiben." - Es war der 28. April 2001.

 


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