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NS-Zwangsarbeit: Michail Wassiljewitsch S., geb. 12.11.1926, deportiert im Mai 1942 (Ruhstrat)

Michail Wassiljewitsch schrieb im November 2002 über seine Zwangsarbeit bei Ruhstrat:

"Zur Zwangsarbeit bin ich im Mai 1942 aus der Stadt Kursk gekommen. Nach Deutschland bin ich gewaltsam verschleppt worden, in bewachten Güterwagen. Nachts wurden sie verschlossen. Mit mir gemeinsam wurden viele Menschen transportiert, etwa 5 oder 6 Wagen. Ich arbeitete immer in dem Werk der Gebrüder Ruhstrat, als Dreher in der mechanischen Abteilung. Mein unmittelbarer Vorgesetzter war ein bemerkenswerter Mensch, Herr Böning. Was das Werk produzierte, wusste ich nicht, in anderen Abteilungen bin ich nicht gewesen.
Der Arbeitstag dauerte genauso lang wie bei den deutschen Arbeitern, etwa 9 oder 10 Stunden. Sonntag war ein freier Tag, nachts arbeitete ich nicht, Urlaub hatte ich keinen. In der Abteilung arbeiteten meine Landsleute und deutsche Arbeiter. ZU den französische Kriegsgefangenen hatte ich gute Beziehungen. Kinder gab es keine. Geld bekamen wir jede Woche, in Umschlägen, gleich bei der Arbeitsstelle, ungefähr 6-8-Mark, genau erinnere ich mich nicht. Es war unmöglich, für dieses Geld etwas zu kaufen, weil es alles nur auf Karten gab.

Ich war in einem Lager untergebracht, es hieß Gemeinschaftslager Tonkuhle. Dort gab es 2 Holzbaracken, in jedem 6 Zimmer, in jedem Zimmer gab es acht 2- stockigen Betten, also in einem Zimmer 16 Menschen, in ganzen Baracke bis zu 100 Menschen, im Lager also etwa 200 Menschen, 50 von denen waren Männer, die übrigen Frauen.
Wir konnten uns regelmäßig waschen, wir hatten eine kleine Banja und eine Dusche. Im Hof gab es eine Toilette. Kinder im Lager gab es keine. Das Lager wurde bewacht, den Namen den Wächter weiß ich nicht, das waren ältere Menschen. Sie waren auch unsere Aufseher. Sie begleiteten uns zur Arbeit und zurück, und achteten auf die Ordnung im Lager. Rings ums das Lager gab es Stacheldraht. In der Nähe war ein Lager für französische Kriegsgefangene, die im Werk gearbeitet haben. Im Lager waren Russen und Ukrainer. Zwischen ihnen gab es keinen Streit. Illegalen Handel gab es keinen, es gab nichts zum Handeln. Zwei oder drei Mal habe ich einen Luftangriff in Göttingen erlebt , im Jahre 1944 und 1945. Es gab im Lager keinen Bunker. Der Güterbahnhof war von der Bombardierung sehr zerstört. Im ersten Jahr wurde uns nicht erlaubt, aus dem Lager herauszugehen. Später konnten wir uns tags ohne Aufseher bewegen, aber unbedingt mit der Abzeichen „OST“ und mit dem Ausweis.

Im Jahre 1943 wurde ich krank, mein Arm war geschwollen, die Finger bewegten sich schlecht. Ich habe mich an einen deutschen Arzt gewendet, der ab und zu ins Lager kam. Er hat mich behandelt und hat mich auf zwei Wochen von der Arbeit befreit. Aber weiter ging es mir nicht gut und er hat mich in die Klinik eingewiesen, wo das Diagnose gestellt wurde - Knochentuberkulose.
Dann wurde mir eine Kur mit Spritzen, Röntgen, Gips verschrieben. Ich wurde 3 Monate lang behandelt und ich kam ab und zu, ein mal pro 2-3 Wochen, in die Klinik, wo ich die Behandlung bekam. Ich wurde von einem deutschen Arzt, namens N., russischer Herkunft [gemeint ist der aus Prag nach Göttingen gekommene ukrainische Dr. Igor N. - C.T.], behandelt. Er war ein guter Mensch.
Ist er wohl noch am Leben? Er hat mir den Arm gerettet, wahrscheinlich sogar das Leben auch. Nach 3 Monaten bin ich wieder zur Arbeit gegangen.

Befreit wurde ich am 8 April 1945 von den Amerikaner. Deutschland habe ich nicht sofort verlassen. Ende April wurden wir zuerst mit Autos, dann mit dem Zug in ein Lager gebracht, in der Nähe von Magdeburg. Dort lebten wir eine Zeit, und dann gingen wir in die sowjetische Zone. Dann wurde ich in eine Ersatzabteilung aufgenommen und ging zu Fuß bis nach Brest. Dann wurden wir in Güterwagen beladen und in das Kemerowskaja Geb., Stadt Stalinsk (heute Nowo-Kusnezk) gefahren, wo ich als Hilfsarbeiter bis Januar 1947 gearbeitet habe. Nach Kursk bin ich erst im Februar 1947 zurückgekommen. Im September wurde ich wieder mobilisiert und nach Donbass geschickt. Dort habe ich eine Berufsausbildung bekommen und bin im Jahre 1948 in das Bergtechnikum eingetreten. Nach der Absolvierung des Technikums bin ich in ein Reparaturwerk geschickt worden, dort brachte ich es bis zum Abteilungsmeister. Dann absolvierte ich den Donezkij Polytechnische Institut. Im Jahre 1992 bin ich in Rente gegangen. Seit 1996 bin ich Invalide der 1. Gruppe, brauche Hilfe. Zum Lebensunterhalt habe ich nur meine Rente160 Griwen, bzw etwa 30 Euro. Um mein Leben zu finanzieren, verkaufe ich jetzt die Sachen, die ich vor 15 bis 35 Jahren gekauft habe: Haushaltsgeräte, Kleidung, Schuhe, Wäsche, neue Sachen kann ich mir nicht leisten. Die Rente reicht nur für ein knappes Essen. Arzneien sind teuer. In die letzten 12 Jahren habe ich mir keine einzige Sache neu gekauft. Es ist sehr bitter, nach 40 Jahren Arbeit das alles zu erleben."

Beide Bilder sind Ausweisfotos, die in Göttingen gemacht wurden. Das erste oben wurde offensichtlich von der Kriminalpolizei gemacht, das zweite - wie ein Stempel auf der Rückseite verrät - von dem Göttinger Fotografen Hübner.

 


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