NS-Zwangsarbeit: Erinnerungen von Pierre G., geb. 24.3.1922, an seine Zwangsarbeit bei Feinprüf | |
Pierre G., der zunächst versucht hatte über eine Fluchthilfe, die zur STO gezwungene Franzosen außer Landes brachte, nach Spanien zu fliehen, dies aber weil das Fluchthilfenetz entdeckt wurde, aufgeben musste, kam am 15. 3 1943 zur Firma Feinprüf und arbeitete dort als Dreher bis Kriegsende. Untergebracht war er im Lager Albanikirchhof. Am 25. Februar 2004 schrieb er in einem Brief an Cécile Bonnet (Übersetzung Cécile Bonnet und Cordula Tollmien): |
"Ich werde versuchen, einige Erinnerungen von vor 60 Jahren zu erzählen. Es ist nicht einfach. Aus Bonneval mit dem Zug Richtung Paris Gare d’Austerlitz gefahren, via Gare de l’Est mit dem Bus. Richtung Metz-Köln. Ankunft in Hannover. Wir haben die Nacht auf einer Decke im Warteraum des Bahnhofs verbracht.
Am folgenden Tag wurden 4 vor uns für Göttingen ausgewählt, davon 2 für die Firma Feinprüf, was auf französisch "fine précisison" bedeutet, eine erst vor ein paar Jahren erbaute moderne Fabrik, die glatte und mit Gewinde versehene Rohre herstellte. (Schublehre in Solingen [wahrscheinlich verwechselt er hier Esslingen, den Stammsitz der Firma mit Solingen - C.T.] hergestellt.)
Wir wurden von einige vor mehreren Monaten angekommene Franzosen aus der Normandie mit Calvados in einem Gemeindehaus mit Zentralheizung, Toiletten, usw. wohl empfangen, Albanikirchhof genannt, neben einer kleinen Kirche die noch existieren soll (?), an einem Platz gelegen (damals Adolf-Hitler-Platz). Gegenüber dem Gemeindehaus stand eine Kaserne. Nach einer Probezeit von 8 Tagen arbeitete ich in der Fabrik als Monteur. Nach erfolgreicher Probezeit haben sie mich behalten. Der Kamerad, der mit mir die Probezeit machte, wurde in eine andere Fabrik geschickt. Wie ich hatte er seine Ausbildungszeit bei "Cycles & Motos" [Peugeot - C.T.] gemacht. Ich hatte das Glück gehabt, Montage in Fabriken gemacht zu haben, später habe ich bei Feinprüf Dreharbeiten erledigt. Sie suchten Metalldreher. Am Anfang war es nicht einfach, vor allem, wenn man nicht dieselbe Sprache spricht. Knauf, mein deutscher Arbeitsnachbar war ziemlich nett, außer am Anfang. Ich verstand nicht, was er zu mir sagte. Oft: "Petar, Petar". Ich verstand es als ein Schimpfwort, später erfuhr ich, dass mein Vorname "Pierre" "Peter" auf Deutsch war. Spricht es sich "Pétar" aus?
Im Grossen und Ganzen war die Stimmung gut. Aber viele Deutsche haben uns als Freiwillige betrachtet, obwohl wir Zwangsarbeiter waren. STO.
Die Rückfahrt wurde mit Militär-LKW’s organisiert. Wir wurden in einer Kaserne in Göttingen gesammelt, um zu einem 100 km entfernten Bahnhof gefahren zu werden. Dann Güterzug an der belgischen Grenze. Wir überquerten den Rhein im Schritttempo, und da die Brücke zerstört war, fuhren wir auf auf Flössen gestellten Gleisen. Als wir den Fuss auf das Festland stellten, haben wir "Uff!" gesagt.
Rückfahrt nach Paris, diesmal mit Personenzügen. In Chartres angekommen wurden wir von Freiwilligen empfangen, die uns nach Hause gebracht haben.
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Quellen und Literatur:
Aufenthaltsanzeigen für Ausländer (Jean R., geb. 14.9.1922), Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Fach 124 Nr. 15 (alphabetische Ablage).
Brief Pierre G., geb. 24.3.1922, an Cécile Bonnet 15.2.2004 (überlassen von Cécile Bonnet), Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32 - Tollmien.
Cécile Bonnet, Service du travail obligatoire (STO) in Göttingen, Magisterarbeit Universität Aix en Provence, Frankreich, 2004 (Manuskript).