NS-Zwangsarbeit: Feinprüf - Feinmess- und Prüfgeräte GmbH (Brauweg 36) |
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Werksanlagen der Feinprüf Göttingen, Brauweg 36 Die Firma "Feinprüf- Feinmess- und Prüfgeräte GmbH" wurde 1936 als Tochtergesellschaft der Firma Carl Mahr in Esslingen gegründet. Sie produzierte technische Längenmessgeräte, deren reinmechanische Herstellung besondere Anforderungen bezüglich der Genauigkeit stellte. In den ersten Jahren wurden nur sogenannte feste Lehren hergestellt. Dabei handelte es sich um sehr genaue Musterstücke, mit denen in den eigentlichen Fertigungsbetrieben die Maße der dort hergestellen Werkstücke verglichen wurden. Später setzten sich die sogenannten anzeigenden Lehren durch, mit denen die Maßveränderung von Werkstücken während des Herstellungsvorgangs laufend beobachtet werden konnte. Das Göttinger Werk im Brauweg 36 aufgebaut hat Oskar Mahr (1907-1968), ein Enkel des Esslinger Firmengründers Carl Mahr. 1937 war Bau A fertiggestellt und die Produktion konnte mit einer geringen Zahl von Beschäftigten aufgenommen werden. 1938 stand dann auch Bau B und die Produktion lief mit stetig steigenden Beschäftigungszahlen richtig an: "Wir haben ganze Familien und Facharbeiter aus Esslingen nach Göttingen umgesiedelt und für sie Wohnungen gebaut," erinnerte sich anlässlich des 150. Jubiläums der Esslinger Firmengründung 1861 im Jahre 2011 der Unternehmensvorsitzende Stephan Gais (HNA 12.9.2011). Das Unternehmen, das seit 1994 als Carl Mahr Holding GmbH firmiert und seinen Firmensitz inzwischen nach Göttingen verlagert hat, ist immer noch in Familienhand und Stephan Gais ein Ururenkel des Firmengründers. |
Weil Feinprüf überwiegend Lehren und Meßwerkzeuge für die Wehrmacht produzierte und sich u.a. auf die Herstellung spezieller Lehren für die Fertigung von Geschossen spezialisiert hatte, unterstand die Frima als Rüstungsbetrieb dem Rüstungskommando und die Produktion wurde durch den Beginn des Krieges kaum beeinträchtigt. Ein großer Teil der Facharbeiter konnte u.k. gestellt werden, der Hauptteil der Belegschaft aber bestand aus ungelernten Arbeitskräften, die während des Krieges zunehmend durch Zwangsarbeiter ersetzt wurde. Anfang 1944 betrug die Gesamtbelegschft 568 Personen. Der Anteil der Zwangsarbeiter daran lässt sich nur schätzen: |
Das Firmengebäude heute |
Im Januar 1943 war im Zuge des Austausch von französischen Zivilarbeitern für französische Kriegsgefangene, der sog. Relève, bei der nach einem Abkommen vom Juni 1942 für einen freizulassenden Kriegsgefangenen drei "freiwillige" Arbeiter nach Deutschland gehen mussten, eine Gruppe von mindesten fünf, ingesamt schätzungsweise höchstens zehn französischen Zivilarbeitern zu Feinprüf gekommen. Zwei von ihnen kehrten schon nach einem halben Jahr aus ihrem Urlaub nicht nach Göttingen zurück, einer wurde im Januar 1944 als krank in die Heimat entlassen, zwei weitere kehrten ohne Angabe von Gründen im Oktober 1943 bzw. Janaur 1944 nach Frankreich zurück. Alle hatte reguläre Anwerbungsverträge, die ihre Arbeitszeit auf ein Jahr begrenzten, worauf allerdings kein Rechtsanspruch bestand. Zur Geschichte des Mietvertrags mit der Albanigemeinde über die Nutzung des Gemeindehauses als Zwangsarbeiterlager siehe hier. |
Quellen und Literatur:
Kontrolloffizier Fallingbostel an verschiedene Firmen, 4.11.1942, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 52, o.P.
2 Aktennotizen 4.7.1942, Stadtarchiv Göttingen, Bauamt Abt. I Fach 2 Nr. 34, o. P.
Reservelazarett an Städtischen Friedhof o.D., Stadtarchiv Göttingen Grünflächenamt C 83 Nr. 156, Bl. 19;
Aussagen 26.6.1946, 17.1.1947, Entnazifizierungsakte, ebd., Nds. 171 Hildesheim Nr. 19651.
Runderlass Göring 23.1.1943, Zusammenstellung der Aufräumungstrupps (A-Trupps) und der Bauhilfstrupps (B-Trupps) der Göttinger Betriebe mit einer Belegschaft über 500 Köpfen, o. D. [10.4.1943], Aerodynamische Versuchsanstalt an Oberbürgermeister 7.3.1944, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 1 Nr. 45, o.P.
An das Landesarbeitsamt Hannover 14.12.1943, zur Kenntnis an Frey, unterzeichnet mit Ra., Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 1 Nr. 45a Bd. 3, o.P.
Aufenthaltsanzeigen, Stadtarchiv Göttingen Pol. Dir. Faych 124 Nr. 15 (alphabetische Ablage)
Verschiedene Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnermelderegistratur.
Lagerliste Göttingen o.D. (an Gestapo am 4.8.1944), Stadtarchiv Göttingen Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 541 f.
Lageraufnahme Belgischer Suchdienst 1949, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv, Film 3, Nr. 1459.
Register Fremdenpässe, ebd. Ordnungsamt acc. 1047/1991 Nr. 258.
Frank Baranowski, Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit, Duderstadt 1995, S. 40.
Eckart Schörle, Gutachten zur Situation von "Zwangsarbeitern" bei der Firma Feinprüf Göttingen während der Zeit des Nationalsozalismus, Göttingen im April 2000 (Manuskript im Stadtarchiv Göttingen).
Eckart Schörle, Zwangsarbeit in Göttinger Industriebetrieben, in: "Leiden verwehrt Vergessen", Zwangsarbeiter in Göttingen und ihre medizinische Versorgung in den Universitätskliniken (hg. von Volker Zimmermann), Göttingen 2006, S. 119-135.