NS Zwangsarbeit: Maria Konstantinowa S., geb. 28.9.1925, deportiert November 1942 (Feinprüf in der Küche)

Maria Konstantinowa S., die am 22. November 1942 aus ihrem ukrainischen Dorf im Chmelnitzkij-Gebiet deportiert wurde, machte nicht viel Worte um die Zeit ihrer Zwangsarbeit in Deutschland:
"ich arbeitete in der Fabrik „Fanbrieft“ [auf Deutsch in lateinischen Buchstaben, gemeint ist sicher Feinprüf - C.T.]. Sie lag im Zentrum der Stadt. Es gab eine Küche in der Fabrik. Ich habe dort das Geschirr gespült, Lebensmittel vorbereitet. Welche Produkte die Fabrik hergestellt hat, wusste ich nicht. Ich arbeitete von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends. Sonntags war ein freier Tag, Samstags war ein verkürzter Arbeitstag. Nachts arbeitete ich nicht. Urlaub hatte ich keinen. Wir waren zu viert in der Küche."

Außer Maria Konstantinowa arbeiteten noch zwei siebzehnjährige und eine 35-jährige "Ostarbeiterin" in der Küche von Feinprüf und drei deutsche Frauen. Der Chef hieß", so Maria Konstaninowa wörtlich, " Herr-chef kleine Herz [alles auf Deutsch in kyrillischen Buchstaben - C.T.]"

Tatsächlich wurde die Küche bei Feinprüf von Heinrich Kleinertz geführt.

Sie sei gut behandelt worden, berichtete Maria Konstantinowa, und habe 8 bis 10 Mark im Monat an Lohn bekommen. Untergebracht sei sie im Lager Schützenplatz gewesen: "Aus jenen Zeiten habe ich eine Brief-Postkarte aufbewahrt, die ich aus Deutschland nach Hause zu meinen Verwandten geschickt habe", schrieb sie dazu. "Ich schicke sie Ihnen mit."

Tatsächlich aber schickte sie zwei Postkarten, von denen eine, wie von ihr richtig angegeben, den Stempel "Gemeinschaftslager Schützenplatz" (Poststempel 17.9.1943), die andere aber den Absenderstempel "Göko-Lager Göttingen Brauweg 27" (Poststempel 24.3.1943). Damit ist zweierlei bewiesen:

1. dass Maria Konstantinowa zunächst im Lager der Konservenfabrik Hillebrand untergebracht war, die in direkter Nachbarschaft von Feinprüf lag. Es ist daher sehr leicht denkbar, dass Maria Konstantinowa zunächst der Konservenfabrik Hillebrand zugeteilt gewesen war, dann aber - weil es sich dort um Saisonarbeit handelte und im November nichts oder wenig zu tun war, der Küche von Feinprüf überstellt wurde, so sie dann bis zum Kriegsende blieb. Und

2. dass auch so relativ kleine Lager, wie das der Konservenfabrik Hillebrand einen eigenen Lagernamen (mit Stempel) erhielten.

 

 

Die Postkarten sind beidseitig beschrieben, der Text lautet in deutscher Übersetzung:

Die Karte aus dem Göko-Lager Hillebrand:

"Im Jahre 1943, den 17 April.
Das ist ein Brief von der Tochter Maria. Mütterchen und Väterchen, ich habe auf einmal 6 Postkarten bekommen. Früher habe ich keine bekommen und jetzt habe ich sie bekommen. Sie fragen, womit ich mich zudecke. Ich habe eine Bettdecke bekommen und decke mich damit zu. Ich hatte noch niemals Hunger. Schreiben sie mir, wer aus Deutschland zurückgekehrt und wer dorthin gegangen ist, wer geheiratet hat . Nadja W. schreibt, dass sie arbeitet. Schreiben sie mir, warum schreiben sie mir nicht, ist Mama so schwach? Schreiben sie mir, ob sie noch die Kuh haben. Ich vermisse sie sehr und danke viel mal für Ihre Briefe und dafür, dass sie mich nicht vergessen haben. Senden sie mir die Adresse von Nadja. Ich bin am Leben und gesund. Gruß an alle meine Verwandten. Mütterchen und Väterchen, auf Wiedersehen, warten sie auf mich."

 

Die Karte aus dem Lager Schützenplatz:

"15 September 1943.
Das ist ein Brief von der Tochter Maria an ihre Verwandten. Väterchen und Mütterchen, ich möchte ihnen mitteilen, dass ich am Leben und gesund bin. Schreiben sie mir bitte, wie ihre Gesundheit ist, Mütterchen und Väterchen, ob sie etwas zum Essen haben, was sie gekauft und verkauft haben. Mütterchen, schreibe mir, ob du das Geld bekommen hast. Mütterchen und Väterchen ich habe 12 Sendungen von ihnen bekommen, ich bedanke mich bei ihnen sehr. Mütterchen, sie können mich doch nicht immer ernähren, das ist so viel Mühe für Sie. Mütterchen und Väterchen, man schreibt mir, dass die Mutter sehr weint, weil sie nur eine Postkarte bekommen hat. Mütterchen, weinen sie nicht über mich. Ich darf nicht untergehen. Schreiben sie auch, ob man ihnen den Garten gegeben hat. Mütterchen und Väterchen, auf Wiedersehen."


Maria Konstantinowa S. im Jahr 1945. Das Foto ist auf der Rückseite beschrieben. Der Text lautet:
"Im Jahre 1945. Zum Gedenken meinen Eltern und Verwandten zur Zeit meinen Aufenthalt in Großdeutschland, Stadt Katinken [gemeint ist Göttingen- C.T.]. Ich bitte sie, mein Foto zu behalten und nicht zu zerreißen."


Das Foto stammt von einer der Frauen, mit denen Maria S. gemeinsam in der Küche arbeitete. Sie schenkte es ihr zur Erinnerung am 13.9.1943.

 


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