NS-Zwangsarbeiter: Optische Werke Josef Schneider & Co in Weende |
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Die im Jahre 1936 gegründete Göttinger Firma Josef Schneider & Co produzierte während des Krieges optische Geräte (Spezialobjektive) für die Luftwaffe. Sie war eine Schwesternfirma der 1913 von Joseph Schneider (1855-1933) in Bad Kreuznach begründeten Firma "Optische Anstalt Jos. Schneider & Co", die ihre Rüstungsproduktion nach Göttingen verlagerte, weil Bad Kreuznach zu nah an der französischen Grenze lag. Die Produktion startete zunächst am Leinekanal im Gebäude der ehemaligen Klavierfabrik Rittmüller, Goethe Allee 8 a (heute ist dort die Firma Ruhstrat ansässig). 1941 wurde das Werk an der Artilleriestraße in Weende (heute Bundesstraße 27) neu gebaut (auch mit Hilfe von Zwangsarbeitern) und war 1942 bezugsfertig. Bis Ende 1944 entwickelte sich die Firma zu einem der dreißig größten Rüstungsfirmen in der südniedersächsischen Region. Nach dem Krieg wurde die Produktion auf die Herstellung von Brillengläsern umgestellt und die Firma in den 1960er Jahren in ISCO umbenannt. Unter diesem Namen besteht sie nach verschiedenen Eigentümerwechseln am Anna-Vandenhoeck-Ring in Weende noch heute.
Die Firma war Mitglied der Küchenvereinigung e.V.. Das war ein Zusammenschluss mehrerer Göttinger Rüstungsfirmen, die gemeinsam große Zwangsarbeiterlager (Lager Schützenplatz und Lager Eiswiese) und eine Krankenbaracke für ZwangsarbeiterInnen unterhielt. |
Französischer Zivilarbeiter, der bei Schneider & Co arbeitete und 1944 wegen "Rundfunkverbrechen" verurteilt wurde. |
Die Baracke bei Schneider war von der Straßenseite aus mit Stacheldraht umzäunt, das Gelände hatte aber keinen Wachtürme oder einen Beobachtungsposten. Bewacht wurden die Gefangenen durch bewaffnete Landesschützen, ihre Arbeitszeit betrug 8 bis 10 Stunden und verpflegt wurden sie aus der Werksküche. Während der Arbeit waren sie nicht bewacht und 1944 stellte man die Bewachung ganz ein und die Gefangenen konnten sich weitgehend frei bewegen. Entlohnt wurden sie angeblich wie die deutschen Arbeiter, wobei allerdings 30% des Lohn als "Rücklage" einbehalten wurde, der ihnen dann später ausgezahlt werden sollte. Nach den Tagebucheintragungen von Hermann Stresau arbeiteten im September 1944 Franzosen, Belgier, Tschechen, Italiener, Polen und "Russen" bei Schneider & Co (Eintrag 30.9.1944). Am 31.12.1944 bestand die Belegschaft der Firma Josef Schneider & Co nach einer offziellen Meldung für die Reichsgruppe Industrie aus insgesamt 653 Beschäftigten; davon waren 46 "Ostarbeiterinnen", 113 westliche Zivilarbeiter (davon 37 Frauen) und 41 westliche (französische) Kriegsgefangene. Unterbringung: Es gibt Erinnerungen einer ehemaligen "Ostarbeiterin" an ihre Zwangsarbeit in der Firma Schneider und außerdem das bereits zitierte Tagebuch eines seit 22. Februar 1943 bei Schneider dienstverpflichteten Deutschen, des ehemaligen Bibliothekars Hermann Stresau, der auch ausführlich über die Zwangsarbeiter der verschiedenen Nationalitäten in seinem Betrieb schrieb. |
Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnermelderegistratur.
Aktennotiz 23.7.1940, LAA an Stalag 23.7.1940, Aktennotiz 25.7.1940, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 48, o.P.
Kontrolloffizier Fallingbostel an verschiedene Firmen, 4.11.1942, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 52, o.P.
Lagerliste Göttingen o.D. (an Gestapo am 6.9.1944), Stadtarchiv Göttingen Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 544 ff.; Liste aller Fabriken in Göttingen, o.D. [1945], ebenda, Abt. I Fach 2 Nr. 35, o.P.; zur Küchenvereinigung: Bauanzeige 31.12. 1941, ebenda Bauamt Abt. II Fach 46 Nr. 1a-i Bd. 1, o.P.
Beschäftigtenmeldung Josef Schneider & Co 31.12.1944, Bundesarchiv Außenstelle Lichterfelde, R 12 I/102 (Reichsgruppe Industrie).
Lageraufnahme Belgischer Suchdienst 1949, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Film 3, Nr. 1487.
Zusammenstellung der Kasernen, Baracken und anderen größeren Unterkunftsmöglichkeiten im Stadt. und Landkreis auf Anforderung des Stadtkommandanten vom 12.7.1945, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Fach 2 Nr. 35, o.P.
Aufenthaltsanzeigen von Ausländern, Stadtarchiv Göttingen Po. Dir. Fach 124 Nr. 15 (alphabetische Ablage).
Aktennotiz 18.10.1943, 10.11.1943 Stadtarchiv Göttingen Po. Dir. Fach 77 Nr. 21 a, Bl. 90 + v.
Frank Baranowski, Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit, Duderstadt 1995, S. 42 und S. 44, S. 236 Anm. 62.
Frank Baranowski, Rüstungsproduktion in Mitteldeutschland, o.D.
Michael Casper, Otto Klink schliff einst für Isco Linsen, Göttinger Tageblatt 12.1.2007
Sylvia Möhle, Von der Arbeitervorstadt zum Göttinger Ortsteil, Göttingen 2009, S. 170 f.
75 Jahre Schneider- Kreuznach - Weil das Objektiv entscheidet, Jubiläumsbroschüre, o.O o.J. (2008).
Hermann Stresau, Von Jahr zu Jahr, Berlin 1948.