NS-Zwangsarbeit: Lager in Gasthäusern |
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Das Gasthaus Maschmühle war in Göttingen ein sehr beliebtes Ausflugsziel.
Die Unterbringung von Zwangsarbeitern in Gasthäusern war für deren Betreiber äußerst lukrativ, da die Vergütung für die Nutzung von deren Räumen "nicht nach dem Wert für die Bedarfsstelle, sondern nach dem Durchschnitt des in den letzten drei Kalenderjahren vor Kriegsausbruch erzielten Umsatzes bemessen wird" (Schreiben der Preisbehörde an den Regierungspräsidenten vom 17.1.1944, Stadtarchiv Göttingen, Amt für Wohnungswesen Nr. 294). Da der Umsatz bei den meisten Gastwirtschaften bei Kriegsausbruch eher zurückgegangen sein dürfte, waren Zwangsarbeiter durchaus eine lohnende Alternative. Gegen Ende des Krieges wird es in Göttingen (einschließlich der genannten Dörfer) wohl kaum noch eine Gaststätte mit einem größeren Saal gegeben haben, die nicht mit ausländischen Arbeitern belegt war. In den ehemaligen Tanzsälen waren dabei vor allem französische Kriegsgefangene, Polen und Ukrainer untergebracht, Holländer und vor allem Flamen zum Teil auch in den Gastzimmern, die dann allerdings immer mit mehreren Personen belegt waren. Insgesamt ließen sich bisher 18 Gaststättenlager in Göttingen (einschließlich Geismar, Grone und Weende ohne die Reichsbahnlager in Bovenden, Adelebsen, Lödingsen und Nörten Hardenberg) nachweisen.
Vor allem die Reichsbahn (aber vereinzelt auch andere Betriebe) nutzte die Gasthäuser in Göttingen und Umgebung für ihre Zwangsarbeiter. Aufgenommen wurden in diese Liste deshalb auch Gasthäuser beispielsweise in Bovenden, Adelebsen und Lödingsen, aus denen nachweislich Zwangsarbeiter auf Göttinger Arbeitsstellen kamen. Wenn bekannt, werden auch die Belegzahlen angegeben. Für die Reichsbahn wurde dafür auch die von der Ausstellungshomepage "Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945" veröffentlichte Karte der Eisenbahnlager herangezogen.
Groner Hof Zeichung 1939 (aus: 50 Jahre städtische Brauerei zu Göttingen am Brauweg, Göttingen o.J. [1939]) Im Groner Hof unterhielt die Reichsbahn 1941 ein Lager für Polen. Dieses wurde im September 1941 erstmalig aktenkundig, weil darin untergebrachte Polen sich mit Brennspiritus betrunken hatten, und im Februar 1942 stellte das Gesundheitsamt fest, dass dort - wie übrigens in allen acht gleichzeitig kontrollierten Zwangsarbeiterlagern - die Toiletten eingefroren waren. Die Zustände dort scheinen also ähnlich schlimm wie im Lager Sültebeck gewesen zu sein, das ja auch ein ehemaliges Gasthaus war. Wenn man davon ausgeht, dass - wie auch bei den mit der Südhannoverschen Tageszeitung geführten Verhandlungen über die Einrichtung des Lagers Sültebeck - der Vertrag über die Nutzung des Groner Hofs, dessen Besitzerin die Städtische Brauerei war, als Lager nicht mit dem Pächter, sondern mit dem Eigentümer geschlossen wurde, so war die Städtische Brauerei Nutznießerin der Einrichtung dieses Lagers. Vor allem in den letzten Kriegsjahren, in denen der Bierabsatz stetig zurückging, kann man davon ausgehen, dass das Lager sicherlich regelmäßigere und höhere Pachteinnahmen abwarf als sie von einer Gastwirtschaft zu erwarten gewesen wären.
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Quellen:
Oberbürgermeister an Schutzpolizei 31.5.1940, Bericht 3.10.1941, Stadtarchiv Göttingen Pol. Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 383, Bl. 438 v.
Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnermelderegistratur.
Statistiken August/September 1944, Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 541f. , Bl. 544-547; Lageraufnahme Belgischer Suchdienst 1949, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover, Film 3.
Bericht Gendarmerieposten Grone 24.9.1941, Bericht Gesundheitsamt 5.2.1942, Stadtarchiv Göttingen Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 438, Bl. 449; Bericht des Vorstandes der Städtischen Brauerei zu Göttingen über das Geschäftsjahr 1938/39.
Lageraufnahme belgischer Suchdienst 1949, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Film 3, Nr. 1446, 1447, 1463, 1476, 1477, 1478, 1484, 1485. Schreiben der Preisbehörde an den Regierungspräsidenten vom 17.1.1944, Stadtarchiv Göttingen, Amt für Wohnungswesen Nr. 294, o.P.
Literatur:
Ewald Dawe, Ewald, Geismar. Platz der sprudelnden Quellen. Band I Von den Anfängen bis 1946, Göttingen 1987. S. 302.
Margret Dieck, Städtische Brauerei zu Göttingen. Die Entwicklung einer Unternehmensform, Göttingen 1969.