Kohlenhändler |
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Göttinger Adressbuch 1937 Die Göttinger Kohlenhändler, die unter der Leitung des Inhabers der Firma Winkelhoff & Glaeser bei der Beschaffung von Zwangsarbeitern in der Regel gemeinsam agierten und die Arbeiter je nach Bedarf in verschiedenen Firmen einsetzten, hatte sich gleich nach Beendigung des Frankreichfeldzuges wie viele andere Göttinger Betriebe auch zunächst vergeblich um die Zuweisung von französischen und belgischen Kriegsgefangenen bemüht. Obwohl auch die Stadtverwaltung nach dem harten ersten Kriegswinter 1939/40, in dem die Kohlenversorgung in Göttingen fast zusammengebrochen war, ein virulentes Interesse an der Zuweisung von Arbeitern an die Kohlenhändler hatte und sich bei den zuständigen Stellen dafür einsetzte, und obwohl nach einem Rundschreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes vom 14. September 1940 der Kohlenhandel bevorzugt mit Kriegsgefangenen versorgt werden sollte, kam auch von den 122 französischen Kriegsgefangenen, die am 20.9.1940 ins Lager Sültebeck eingewiesen worden waren, keiner zu den Kohlenhändlern, die daraufhin damit drohten, dass sie ihre Verpflichtungen nicht mehr würden erfüllen können. Dies war offensichtlich so wirksam, dass die Wehrmacht daraufhin aus ihrem im Lager Lohberg seit August 1940 untergebrachten "Kontingent" von französischen Kriegsgefangenen, wenn auch nur vorrübergehend und unregelmäßig, sowohl dem städtischen Gas- und Wasserwerk als auch den Göttinger Kohlenhändlern Kriegsgefangene leihweise zur Verfügung stellte. Die Kohlenhändler erhielten insgesamt 32 Kriegsgefangene, die während ihres Einsatz für den Kohlenhandel im Lager Sültebeck untergebracht wurden. Diese Gefangenen wurden allerdings - nachdem es schon ab Februar 1941 wegen des ausbleibenden Arbeitskräfte immer wieder Klagen der Kohlenhändler gegeben hatte - alle endgültig am 20. März 1941 zurückgezogen, standen den Kohlenhändler also zunächst nur ein halbes Jahr zur Verfügung. Zumindest der Firma Sonne hatte allerdings auch noch in der Zeit zwischen Juni und September 1941 französische Kriegsgefangene aus dem Lager Sültebeck, und im November 1942 wurden die Firmen Winkelhoff & Glaeser, Sonne, Nolte & Co und die Brennstoffversorgung für Eisenbahnbedienstete darüber unterrichtet, dass sie ihre Gefangenen künftig in einem anderen Lager unterzubringen hatten, was im Umkehrschluss belegt, dass für die Göttinger Kohlenhändler mindestens bis zu diesem Zeitpunkt, sehr wahrscheinlich aber auch noch darüber hinaus französische Kriegsgefangene arbeiteten.
Auch einige der französischen Kriegsgefangenen bei den Göttinger Kohlenhändlern machten im Herbst 1943 von der Möglichkeit der Transformation Gebrauch.
Siehe zu den französischen Kriegsgefangenen bei den Göttinger Kohlenhändlern ausführlicher:
Ab Oktober 1941 arbeiteten regelmäßig 30 bis 40 polnische und (west-)ukranische Zwangsarbeiter für die Göttinger Kohlenhändler. Sie waren anfänglich im Saal einer Gastwirtschaft (Saal Dietzel) in der Angerstraße 3 b untergebracht. Doch wurde bei einer Kontrolle durch Gesundheitsamt und Ortspolizei im Februar, April und Mai 1942 festgestellt, dass nicht nur die Toilette eingefroren war, sondern das Lager auch insgesamt sehr unsauber war. "Polen und Unkrainer entschuldigten sich damit", so der Bericht des zuständigen Revierpolizisten, "dass sie keinen Besen hätten. den schlechten Bettenbau entschuldigten sie damit, dass ihnen kein Neustroh zur Verfügung gestellt wurde." Besen und neues Stroh, so der Polizeibericht, sollten angeschafft, und "die Polen und Ukrainer zur Sauberkeit der Räume und den Bettenbau erzogen werden." Doch waren die Zustände so unhaltbar, dass Ende 1942 die Schließung durch das Gesundheitsamt angeordnet wurde im Januar 1943 eine neue Baracke an der Groner Landstraße aufgestellt wurde, die nach ihrer rückwärtigen Adresse als Lager "Hasengraben 22" firmierte. Insgesamt arbeiteten über die gesamte Kriegszeit bei einer relativ geringen Fluktuation wohl um die 60 ukranische und polnische Zwangsarbeiter bei den Göttinger Kohlenhändlern.
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Literatur und Quellen:
Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnermelderegistratur.
Aktennotizen 11.6.1940, 11.7.1940, 23.7.1940, 25.7.1940, 7.8.1940, 24.8.1940, 12.9.1940, 17.9.1940, 20.9.1940, 25.9.1940, 3.10.1940, 4.10.1940, 24.2.1941, 4.3.1941, 24.3.1041, Landesarbeitsamt an Stalag 16.7.1940, Aufstellung 23.8.1940, Ratssitzung 4.9.1940, Landesarbeitsamt Rundschreiben 14.9.1940, Winkelhoff & Glaeser an Bürgermeister 22.2.1941, Mitteilung des Standortältesten 7.3.1941, Baumeister an Wirtschaftsamt 26.2.1941, Standortältester an Firma Baumeister 22.2.1941, Rundschreiben an den Göttinger Kohlenhandel 20.3.1941, Stadtarchiv Göttingen, Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 48, o.P.
Telefonabrechnungen, 22.6.-10.9.1941, Kontrolloffizier Fallingbostel an verschiedene Firmen 4.11.1942, Stadtarchiv Göttingen, Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 52, o.P.
Sitzung 17.7.1940, Stadtarchiv Göttingen AHR I A Fach 11 Nr. 54.
Kontrolle Gesundheitsamt 5.2.1942, Aktennotizen 15.4.1942, 2.5.1942 (Zitat Saal Dietzel), 31.12.1942, 4.1.1943, Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 449, Bl. 451, Bl. 457 f. Bl. 471.
Pläne Baracke Hasengraben 9.10.1942 bis 29.6.1943, Stadtarchiv Göttingen, Baupolizei XX B Fach 112 Nr. 68, o.P.
Register Fremdenpässe, angefangen 4.2.1942 (26/143), Stadtarchiv Göttingen Acc. Nr. 1047/1991 Nr. 258 (Ordnungsamt).
Cordula Tollmien: Zwangsarbeiter der Göttinger Stadtverwaltung, Stand Dezember 2000, unveröffentlichter Bericht, S. 8 f.