NS-Zwangsarbeiter: Wehrmacht

Die Wehrmacht beschäftigte sowohl Kriegsgefangene (Kavalleriekasernen auf dem Lohberg) als auch zivile Zwangsarbeiter (Flakzeugamt/Lager Egelsberg, Heeresverpflegungsamt, Heeresnebenzeugamt und Feldbekleidungsamt), die ausnahmslos in wehrmachtseigenen Lagern untergebracht waren.

Kriegsgefangenenlager Lohberg:

  • Ab Ende Juli /Anfang August 1940 erstmals eine Gruppe von 250 französischen Kriegsgefangenen, die im Lager Lohberg untergebracht waren. Anfang September mussten allerdings 50 Gefangene wieder nach Fallingbostel zurückgegeben werden.
    Nicht ganz eindeutig ist, für welche Arbeiten die Wehrmacht die Gefangenen einsetzte: sicher für Baumaßnahmen auf dem eigenen Gelände, auch bei Lagerarbeiten für „miltärische Güter“, aber beispielsweise auch für Bauarbeiten beim Heeresverpflegungsamt, das 1937 auf einem Gelände im Maschmühlenweg errichtet worden war und an dessen Wirtschaftsräumen bis Kriegsende gebaut wurde. Die französischen Kriegsgefangenen, die im Oktober 1940 dieser Baustelle zugeteilt wurden, waren höchstwahrscheinlich am Bau der Bäckerei beteiligt, die allerdings - obwohl mit dem Bau schon 1938 begonnen worden war - auch 1944 noch nicht fertiggestellt war, so dass zu vermuten ist, dass in deren Öfen nie Brot gebacken wurde. Geplant war offenbar auch, die Gefangenen beim Ausbau der Schießstände einzusetzen, der allerdings im Oktober 1940 noch nicht genehmigt war.
    Kleinere Gruppen aus diesem Kriegsgefangenenkontigent verlieh die Wehrmacht auch an die Göttinger städtischen Betriebe und die Kohlenhändler.

    Flakzeugamt / Lager Egelsberg (Zivilarbeiter):

  • Einzelne zivile französische Arbeiter kamen schon Ende 1942, die meisten aber zwischen Januar und Mitte 1943 ins Flakzeugamt; untergebracht waren sie im Lager Egelsberg. In der Werft des 1934/35 zugleich mit dem Fliegerhorst erbauten Luftzeugamtes wurden Flugzeuge instandgesetzt oder überholt; es gab einen Zerlegebetrieb, in dem veraltete oder stark beschädigte Flugzeuge ausgeschlachtet wurden. Außerdem war dem Luftzeugamt eine Flak-Instandsetzungswerkstatt angegliedert. In den Quellen ist denn auch nebeneinander von Luftzeugamt und Flakzeugamt die Rede. Schon zu Friedenszeiten beschäftigte das Luftzeugamt bzw. Flakzeugamt neben etwa 600 Soldaten auch 1200 Zivilpersonen. Es verwundert daher nicht, dass das Flakzeugamt auch zivile Zwangsarbeiter beschäftigte, und zwar die größte Gruppe von französischen Zivilarbeitern, die in Göttingen überhaupt eingesetzt war. Nach einer Angabe aus der zwischen Mai 1941 und September 1944 erschienenen von der Deutsch-Französischen Gesellschaft herausgegebenen Zeitschrift für französische Arbeiter in Deutschland "Le Pont", in der am 23.5.1943 ein großer Artikel über Göttingen publiziert wurde, waren zu diesem Zeitpunkt 350 französische Arbeiter im Lager Egelsberg untergebracht. Die Fluktuation scheint im Lager Egelsberg vergleichsweise gering gewesen zu sein: Dokumentiert sind eine Reihe von Rückführungen in die Heimat wegen Krankheit, einer der Franzosen starb am 22.6.1943 an einer Lungenentzündung, ein anderer kehrte im Sommer 1943 nicht aus dem Urlaub nach Göttingen zurück und einer wurde Anfang Juni 1944 zur SS eingezogen, was darauf hinweist, dass nicht alle der dort arbeitenden Franzosen Zwangsarbeiter waren. Doch kam nach den uns vorliegenden Unterlagen kaum "Nachschub" für die ausgeschiedenen, so dass mit mit den genannen 350 auch schon die Höchstbelegung des Lagers erreicht gewesen zu sein scheint. Im August und September 1944 waren nach einer offiziellen Statistik dann nur noch 157 "Sonstige" im Lager Egelsberg untergebracht, was auch Holländer und Belgier einschloss.
    Auch eine Französin ist im Lager Egelsberg in den Akten nachweisbar, sie reiste ihrem Mann, der seit spätestens Juni 1943 in Göttingen war, im August 1943 nach und verpflichtete sich hier für ein Jahr als Hilfsarbeiterin. Auch sie war mit ihrem Mann gemeinsam im Lager Egelsberg untergebracht, verließ Göttingen allerdings wieder im Januar 1944, weil sie schwanger war. Doch scheint sie nicht die einzige Französin im Lager gewesen zu sein. Dies kann man aus dem nebenstehenden Foto vom August 1943 schließen: Es zeigt eine Gruppe von Franzosen vor einer Baracke des Lagers Egelsberg, die eine ihnen offensichtlich sehr vertraute Frau in ihre Mitte genommen haben, die nicht die später schwangere Ehefrau ist (von der ein Passfoto existiert).
  • Ab Mai 1943 war eine Gruppe von zwischen 30 und 40 holländischen Studenten, die sich geweigert hatten die geforderte Loyalitätserklärung für Deutschland zu unterschreiben, im Flakzeugamt. Sie waren ebenfalls im Lager Egelsberg untergebracht.
  • Spätetens ab April 1943 waren auch einige Belgier ins Flakzeugamt gekommen, ausschließlich Flamen, insgesamt wahrscheinlich nicht viel mehr als zehn.
  • Spätestens im März 1944 wurden im Flakzeugamt auch "Ostarbeiter" eingesetzt, wahrscheinlich aussschließlich (etwa 150) Männer. So kamen allein mit einem Transport von 132 Ostarbeitern aus dem Durchgangslager Siemsen bei Recklinghausen, der am 30.3.1944 in Göttingen eintraf, 123 Mann in das neu eingrichtete Luftwaffenbaulager für Ostarbeiter auf dem Egelsberg. Dabei handelte es sich um einen abgetrennten Teil des Lagers Egelsberg.
  • Spätestens ab November 1944 gab es im Flakzeugamt auch ein Polenlager, das ausweislich einer Statistik des Ernährungsamtes mit 44 Polen (im Februar 1945 noch mit 39 Polen) belegt war. Aus einem Zeitzeugenbericht wissen wir, dass im Flakzeugamt auch Polinnen im Versorgungsbereich (Ausbessern der Bettwäsche, wahrscheinlich auch in der Küche) eingesetzt waren und dass die im Flakzeugamt eingesetzten Polen zumindest teilsweise auch aufgrund der Strafaktionen nach dem Warschauer Aufstand nach Deutschland deportiert worden waren.
  • Kriegsgefangenenlager Lohberg

    Französische Kriegsgefangene kurz nach ihrer Ankunft im Lager Lohberg. Die Bilder wurden von einem der in dem Lager diensttuenden deutschen Soldaten aufgenommen.

    Kriegsgefangenenlager Lohberg

    Flakzeugamt nach dem Krieg

    Das zerstörte Flakzeugamt nach dem Krieg, Foto C. Louwerse.

    Franzosen vor eine Baracke im Lager Egelsberg

    Franzosen vor einer Baracke im Lager Egelsberg (überlassen von Cécile Bonnet)

    Das Heeresverpflegungsamt wurde 1937 auf einem Gelände in der Nähe der Maschmühle (offizielle Adresse Hagenweg 2) errichtet, an den Wirtschaftsräumen wurde bis Kriegsende gebaut. Im Oktober 1940 wurden dieser Baustelle französischen Kriegsgefangene zugeteilt, die höchstwahrscheinlich am Bau der Bäckerei beteiligt waren. Diese war allerdings - obwohl mit dem Bau schon 1938 begonnen worden war - auch 1944 noch nicht fertig gestellt war, so dass zu vermuten ist, dass in deren Öfen nie Brot gebacken wurde. Geplant war offenbar auch, die Gefangenen beim Ausbau der Schießstände einzusetzen, der allerdings im Oktober 1940 noch nicht genehmigt war.
    Beim Heeresverpflegungsamt arbeitete seit spätestens November 1942 auch eine Gruppe von Polen (und zwar nicht nur als Arbeiter, sondern auch als Kraftfahrer). Auch "Ostarbeiter" sind im Heeresverpflegungsamt nachgewiesen, drei von ihnen kamen bei einem Bombenangriff am 9. Februar 1945 ums Leben.
    Beim Heeresverpflegungsamt arbeitete seit November 1944 auch eine Gruppe von italienischen Arbeitern, die zuvor in den inzwischen bombardierten Junkerswerken in Dessau tätig gewesen waren.

    Das Feldbekleidungsamt der Luftwaffe befand sich in der Weender Straße 19 (damals Straße der SA), also im ehemaligen Gräfenbergschen Kaufhaus, das 1936 von Heinrich Daalmann übernommen und damit "arisiert" worden war. Ab wann das Feldbekleidungsamt in diesen Räumlichkeiten untergebracht war, ist unbekannt. Erst ab November/Dezember 1944 sind dort ausländische Arbeitskräfte nachgewiesen und zwar ausschließlich Holländer, die bis auf die Dolmetscherin alle aus Enschede kamen. Eine Näherin und ein Arbeiter kehrten schon wenige Tage nach ihrer Ankunft Anfang November wieder nach Enschede zurück, die anderen blieben bis Ende Februar/Anfang März 1945, die Dolmetscherin bis Kriegsende, und kehrten dann nach Enschede zurück. Unter den Arbeitern waren einige Transportarbeiter, Heizer und Schlosser, die Mehrheit aber waren Tischler. Was genau ihre Aufgaben waren, erschließt sich aus den Akten nicht. Namentlich bekannt sind 14 holländische Arbeiter für das Feldbekleidungsamt, die wohl für eine Gruppe von 40 bis 60 Mann stehen. Frauen waren dabei die Ausnahme. Untergebracht waren sie bis auf die Dolmetscherin direkt im Feldbekleidungsamt.

    Beim Heeresnebenzeugamt, das auf dem ehemals den jüdischen Geschäftsleuten Hahn gehörenden Gelände in der Weender Landstraße 59 untergebracht war, waren zumindest gegen Ende des Krieges einzelne Polen eingesetzt und ab Oktober 1943 auch Flamen, die zuvor wahrscheinlich bei Schneider & Co gearbeitet hatten. Möglich, dass sich hinter der Bezeichnung "Heeresnebenzeugamt" aber auch wie bei den holländischen Musikern am Göttinger Theater um die Heeresmunitionsanstalt Volpriehausen handelte, also um eine Strafversetzung. Zumindest bei einem der fraglichen Flame ist "Volpriehausen" explizit in seinen Unterlagen genannt.

     

    Quellen:

    Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnermelderegistratur.

    Aktennotizen 9.10.1940, 16.10.1940, Stadtarchiv Göttingen, Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 48, o.P.

    Fotos Kriegsgefangenenlager Lohberg, Fotoarchiv Städtisches Museum Göttingen.

    Bericht des Vertrauensmannes des Stalag XI B Fallingbostel 12.4.1942, in: Baranowski, Frank, Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit, Duderstadt 1995, S. 96.

    Aufenthaltsanzeigen für Ausländer, Stadtarchiv Göttingen Pol.Dir. Fach 124 Nr. 15; Register Fremdenpässe, ebd. Ordnungsamt acc. 1047/1991 Nr. 258; Statistiken August/September 1944, ebd. Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 541f. , Bl. 544-547; Handschriftliche Statistik vom 16.11.1942-31.12. 1945, Statistiken der Verbrauchergruppen und des Bedarfs an Lebensmitteln vom 19.10.1942-12.11.1944 (nicht vollständig vorhanden), ebd. Ernährungsamt Nr. 50, o.P.; Ausländerliste 1940-1946, ebd., Geismar Nr. 716; Lageraufnahme Belgischer Suchdienst 1949, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover Film 3; Artikel vom 23.5.1943 über die Franzosen im Flakzeugamt Göttingen, in: Le Pont. Hebdomadaire de l’Amicale des Travailleurs Français en Allemagne (Die Brücke. Wochenzeitung der Vereinigung französischer Arbeiter in Deutschland), Kopie überlassen von Cécile Bonnet.

    Liste der Toten des Fliegerangriffs vom 9.2.1945, NHStAH Hann 171 a Staatsanwaltschaft Göttingen Acc. 92/79 Nr. 13, Bl. 4 f.

    Foto Flakzeugamt C. Louwerse, Foto Raymond G., geb. 24.9.1922, seit 6.2.1943 im Flakzeugamt (überlassen von Cécile Bonnet), Stadtarchiv Göttingen, Sa. 32- Sammlung Tollmien (Foto-CD).

    Handschriftliche Statistik vom 16.11.1942-31.12.1945, Stadtarchiv Göttingen, Ernährungsamt Nr. 50, o.P.

    Reg.präs. Hildesheim an Oberpräsidenten 19.2. 1944, 25.4.1944, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover Hann 122 a Nr. 3321, Bl. 75; Gesundheitsamt an Reg. präs. 19.4.1944, Stadtarchiv Göttingen Pol.Dir. Fach 74 Nr. 6, Bl. 95.

    Literatur:

    Alex Bruns-Wüstefeld, Lohnende Geschäfte. Die "Entjudung der Wirtschaft am Beispiel Göttingens", Göttingen 1997, S. 266-273, insb. S. 271.

    Interessengemeinschaft "Garnisonstadt Göttingen e.V.", Die strenge Form. Zur Geschichte der Militärbauten in Göttingen, Göttingen 1992, S. 28-32, S. 36-39, S. 46, S. 59.

     


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