NS-Zwangsarbeit: Göttinger Aluminiumwerke GmbH (ALCAN), Weende, Weender Landstraße 175

Die Aluminiumwerke GmbH sind ursprünglich aus einem kleinen Göttinger Betrieb zur Herstellung von Rasiernäpfen und Haus- und Küchengeräten hervorgegangen, den der Kaufmann Gustav Löding 1905 gegründet und seit 1908 gemeinsam mit dem Kaufmann Carl Albrecht unter dem Namen "Aluminiumwerk Löding und Albrecht, Göttingen" in der Burgstraße geführt hatte. Schon ein Jahr später trennte sich Albrecht allerdings von Löding, erwarb ein Grundstück in Weende und gründete zum 1. Oktober 1909 die Firma "Aluminiumwerk Carl Albrecht, Göttingen". Die Firma produzierte Haus- und Küchengeräte aus Reinaluminium und Zieh-, Druck-, Stanz und Kaltpressteile für Geräte, Behälter und Apparate. Das Unternehmen prosperierte: Schon 1911/12 konnten die Fabrikationsräume erweitert und 1919 bis 1921 auf dem 1917 erworbenen Grundstück auf der Ostseite der Hannoverschen Straße ein Gebäude für die Fertigproduktion von Haushaltswaren, für Lagerzwecke und Versand eingerichtet werden. Das Exportgeschäft brachte in der Inflationszeit die notwendigen Devisen, und so konnte Carl Albrecht im Jahre 1923 sogar ein eigenes Walzwerk einrichten. Am 1. September 1924 wurde in zwei neu gebauten Hallen der Betrieb aufgenommen und 1925 mit dem Neubau für die Haushaltsfertigung begonnen. Doch die hohen Anlaufkosten des Walzwerkes, heftige Preiskämpfe und � nach dem Ende der Inflation � rückläufige Exportaufträge und Kundenkonkurse, überstiegen die finanziellen Mittel von Carl Albrecht. 1926 übernahmen die Banken das Unternehmen. Die Gläubiger gründeten am 26. Juli 1926 die Firma "Aluminiumwerk Göttingen GmbH vormals Carl Albrecht", mit dem Sitz in Weende, und vier Jahre später, am 26. Mai 1930 wurden sämtliche Geschäftsanteile an die Aluminium Limited, Toronto, Kanada � kurz ALCAN - verkauft. Die Aluminium Limited, die am 4. Juni 1928 gegründet worden war, um die Beteiligung an einem Spritzwerk in Nürnberg zu übernehmen, erweiterte das Betriebsgelände der "Göttinger Aluminiumwerke GmbH" (so der neue Name) erneut und verfünffachte das Stammkapital. Den Abnehmern von Walzerzeugnissen stand jetzt das weltweite Know-How einer internationalen Aluminium-Unternehmensgruppe zur Verfügung und der zunehmende Bedarf an Haushaltsgeräten aus Aluminium ermöglichte eine beachtliche Produktionsausweitung. Es wurden eine neue Halle für die Vergrößerung der Metalldrückerei gebaut, das Walzwerk modernisiert und erweitert und eine neue Schmelzerei gebaut. Von besonderer Bedeutung für die positive Entwicklung des Unternehmens war der Erwerb des schwedischen Patentes zur alleinigen Herstellung von "Elastic-Stop-Sicherheitsmuttern" im Jahr 1934. 1936 bis 1938 entstanden neue Hallen für das Geschirrwerk und das Walzwerk.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges kam die Haus- und Küchengeräteherstellung, die bis 1939 der tragende Teil des Unternehmens gewesen war, fast ganz zum Erliegen. Die Maschinen mussten umgebaut und eingelagert werden. An ihre Stelle traten Fließpressen zum Kaltschlagen von Elastic-Stop-Muttern, die in wachsendem Maße von der Flugzeugindustrie gebraucht wurden. Für den Oberflächenschutz der Muttern musste die Galvanik vergrößert und eine Eloxalanlage eingerichtet werden. Um den Anforderungen der Rüstungsindustrie zu genügen, wurde außerdem ein Einzelblechwalzgerüst installiert und die Schmelzerei ausgebaut. 1941 folgte der Bau eines größeren Warmwalzwerkes und ein Neubau für die Werkzeugmacherei und Pressgut-Abteilung.

Da das Werk einen ausländischen Besitzer hatte, mit dessen Land sich das Deutsche Reich im Kriegszustand befand, wurden sowohl das Göttinger als auch das Nürnberger Werk 1941 der Aufsicht der Aluminium Limited entzogen und einer n Treuhandgesellschaft unterstellt. Nach Kriegsende stellten die britischen Besatzer die alten Eigentumsverhältnisse wieder her. Geschäftsführer der Göttinger Aluminiumwerke war seit 1929 Martin Schmidt, er blieb dies bis zum 1. September 1956.

Die Aluminumwerke befanden sich aufgrund ihrer ausländischen Muttergesellschaft vor allem nach Beginn des Zweiten Weltkrieges in einer besonderen Situation. Dennoch profitierten die Aluminiumwerke, die seit dem 3. Februar 1939 Wehrmachtsbetrieb waren und seit Ende 1943 auch für die V2 produzierten, profitierten � wie alle Göttinger Rüstungsunternehmen � auch schon vor Beginn des Zweiten Weltkrieges massiv von der forcierten nationalsozialistischen Aufrüstung. Erstaunlicherweise erfolgte die Übernahme durch eine Treuhandgesellschaft auch erst im Jahre 1941, obwohl Kanada gemeinsam mit Großbritannien schon am 3. September 1939 in den Krieg eingetreten war. Weder der ausländische Eigner noch die treuhänderische Verwaltung scheinen die Unternehmensentwicklung in nachweisbarer Weise beeinflusst zu haben. So übernahmen die Aluminumwerke beispielsweise die Geschäftsführung der sog. Küchenvereinigung e. V., in der sich die Göttinger Rüstungsunternehmen im August 1942 zusammengeschlossen hatten, um den Zwangsarbeitereinsatz gemeinsam zu organisieren.

Erwähnungswert ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Aluminiumwerke während der NS-Zeit zu den Göttinger Betrieben gehörten, die auch ehemalige SPD- und KPD-Mitglieder einstellten und dies sogar dann, wenn diese zuvor im KZ gewesen waren. Diese von mehreren ehemaligen ALCAN-Arbeitern bestätigte Praxis scheint wesentlich mit der Person von Martin Schmidt als Geschäftsführer zusammengehangen zu haben. Die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen berichten dagegen sowohl von Schlägen durch das Wachpersonal im betriebseigenen Lager als auch von unzureichender Ernährung und mangelnder Hygiene. Außerdem mussten in den Aluminiumwerken schon achtjährige Kinder, die zusammen mit ihren Eltern deportiert worden waren, Zwangsarbeit verrichten. Im Lager für sowjetische Kriegsgefangene starben außerdem allein im November und Dezember 1942 15 Gefangene. Dies kann allerdings auch eine Folge der vorherigen schlechten Behandlung der Kriegsgefangenen gewesen sein, also der Unterernährung und mangelnden Hygiene in den STALAGs, aus denen die Gefangenen an die Betriebe überwiesen wurden.


"Ausländische Arbeiter" in den Aluminiumwerken:

  • Als erste ausländische Arbeiter in Folge der deutschen Besatzungspolitik kamen im Mai 1939 schätzungsweise zwischen 15 und 20 tschechische Facharbeiter (Maschinenschlosser, Dreher und Fräser) in die Aluminiumwerke. Sie blieben in der Regel ein Jahr und waren in Privatwohnungen untergebracht. Auch 1941 sind noch vereinzelt tschechische Zwangsarbeiter bei den Aluminiumwerken nachweisbar.

  • Am 20. September 1940 wurden 122 französische Kriegsgefangene aus dem STALAG Fallingbostel in das städtische Kriegsgefangenenlager "Am Sültebeck" eingewiesen. Allein 100 Gefangene aus diesem Kontingent wurden den Aluminiumwerken zugewiesen. Damit stand den Aluminiumwerken � wenn man die Wehrmacht außer Acht läßt � das größte Kontingent von französischen Kriegsgefangenen in Göttingen und Umland überhaupt zur Verfügung. Schon im Dezember 1940 begannen die Aluminiumwerke mit dem Bau eines eigenen Kriegsgefangenlagers auf dem Firmengelände. Aufgrund eines Berichts des franz�sischen Vertrauensmanns des STALAGs Fallingbostel �ber eine Kontrollfahrt auch durch G�ttinger Lager im April 1942 wissen wir, dass zu diesem Zeitpunkt 208 Gefangene in diesem Lager der Aluminiumwerke untergebracht waren. Insgesamt waren also über die gesamte Kriegszeit deutlich über 200 französische Kriegsgefangene bei den Aluminiumwerken beschäftigt. Auch am Ausbau der sog. Volksk�che in der Geiststra�e (auch Gemeinschaftsk�che genannt) in den Jahren 1941 und 1942 waren franz�sische Kriegsgefangene der Aluminiumwerke beteiligt.

  • Die ersten französischen Zivilarbeiter kamen schon ab Mai/Juni 1941 zu den Aluminiumwerken; sie wohnten zunächst in Privatunterkünften. Ab März 1942 waren dann einzelne Zivilfranzosen auch in dem Lager auf dem Betriebsgelände (Weender Landstraße 175) untergebracht, wahrscheinlich in einer einzelstehenden Baracke außerhalb des eingezäunten Lagergeländes, in der auch Holländer untergebracht waren. Bis zum März 1942 waren die französischen Zivilarbeiter bei den Aluminiumwerken durchweg Facharbeiter (Mechaniker, Werkzeugmacher, Automateneinrichter), also wahrscheinlich Arbeiter, die auf "freiwilliger Basis" zur Arbeit in Deutschland angeworben worden waren. Ab April 1943 � also nach der Besetzung von Vichy-Frankreich - kamen zunächst einzelne Franzosen nur noch als "Hilfsbohrer", also handelte es sich um fachfremde, wahrscheinlich deportierte Arbeiter. Im November Ab Juli 1943 wurden die französischen Arbeiter der Aluminiumwerke in das Lager Eiswiese eingewiesen, also auch diejenigen, die zunächst auf dem Betriebsgelände untergebracht worden waren.
    Die Schätzung einer Gesamtzahl ist auch bei den Franzosen sehr schwierig, da die Aluminiumwerke in Weende lagen und die im Lager Weender Landstraße 175 untergebrachten Franzosen in Göttingen nicht gemeldet wurden. Die Fluktuation war zudem anfänglich sehr hoch; fast alle nachgewiesenen Franzosen, die schon 1941 zu den Aluminiumwerken kamen, kehrten krank nach Frankreich zurück (es handelte sich um angeworbene Arbeiter mit einem Vertrag über ein halbes Jahr, von denen allerdings vor allem die Kranken aktenkundig wurden, also ist ein Rückschluss auch hier schwierig). Da zivile französische Arbeiter vor 1943 aber nur sehr vereinzelt kamen und aufgrund des ab Sommer 1943 erfolgten Transfer von der Weender Landstraße 175 zum Lager Eiswiese, das im Göttinger Stadtkreis lag, kann man aber wohl dennoch eine Hochrechnung auf der Grundlage der vorhandenen Meldeunterlagen anstellen. Danach kann man wohl davon ausgehen, dass die Zahl der französischen Zivilarbeiter bei den Aluminiumwerken über die gesamte Kriegszeit insgesamt bei mindestens 70 lag. Davon waren zwischen 15 und 20 ehemalige Kriegsgefangene, die von der Möglichkeit der sog. Transformation Gebrauch gemacht hatten.
  • Aluminiumwerke Eingang Westseite

    Aluminiumwerke, Westseite, Hannoversche Straße

    Martin Schmidt, links, 1927

    Martin Schmidt, Geschäftsführer (1929-1956), links, und W. Maier, technischer Leiter, 1927

    Aluminiumwerke Umsatz

  • Belgier arbeiteten nur vereinzelt bei den Aluminiumwerken. Die meisten von ihnen (um die 80 %) waren Flamen. Die ersten kamen nach erfolgter Umschulung in den Feinmechanischen Werkstätten im Sommer 1941 in die Auluminiumwerke. Namentlich nachgewiesen werden konnten sechs Belgier, von denen allerdings zwei schon wenige Wochen später wegen Krankheit und ein weiterer ohne Angabe von Gründen nach einem Jahr wieder nach Hause zurückkehrten. Auch im Dezember 1941 und im Februar 1942 kamen noch einmal vier Flamen zu den Aluminiumwerken (darunter einer Frau), von denen zwei zuvor in dem Zusammenschluss Göttinger Rüstungsbetriebe Feinhand gearbeitet hatten. Zwei dieser vier belgischen Arbeiter kehrten nach einen bzw. zwei Jahren und die Frau sogar schon nach einem halben Jahr in ihr Heimatland zurück. Bei letzterer war als Rückkehrgrund "Vertragserfüllung" angegeben, was ebenso wie der frühe Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme bei allen bisher Genannten dafür spricht, dass es sich hier nicht im Zwangsarbeiter im eigentlichen Sinne, sondern um ArbeiterInnen handelte, die sich mehr oder weniger freiwillig für Deutschland verpflichtet hatten. Nach Einführung der allgemeinen Dienstpflicht in Belgien, die erst im März 1942 erfolgte, lassen sich dann noch einmal insgesamt sechs Belgier bei den Aluminiumwerken (darunter zwei Frauen) nachweisen, von denen einer wieder ohne Angabe von Gründen allerdings nur vom Januar bis zum Oktober 1943 blieb. Alle anderen (auch die beiden Frauen) arbeiteten bis zum Kriegsende bei den Aluminiumwerken, wobei einer allerdings erst am 7. März 1945 von der Firma Schneider & Co kam. Die flämischen Arbeiter der Aluminiumwerke waren anfänglich in Privatunterkünften oder auch im Gasthaus Niedersächsischer Hof (August Meyer), Papendiek 1 untergebracht; ab November 1943 und im Laufe des Jahres 1944 im Lager Eiswiese und zeitgleich eine etwas größere Gruppe wieder im Gasthaus Niedersächsischer Hof (August Meyer), Papendiek 1 untergebracht. Im Lager Eiswiese gab es einzelne flämische Frauen. In einer statistischen Angabe aus dem September 1944 sind Flamen allerdings auch im betriebseigenen Lager der Aluminiumwerke genannt. Die den französischen Zivilarbeitern gleichgestellten Wallonen, die ebenfalls erst ab Ende 1943 und dann auch nur in sehr geringer Zahl nachgewiesen werden können, waren im Lager Eiswiese und eventuell auch im Lager der Aluminumwerke untergebracht. Insgesamt stellten die belgischen Arbeiter bei den Aluminiumwerken allerdings nur ein sehr kleines Kontingent unter den ausländischen Arbeitern, wahrscheinlich nicht viel mehr als 20 oder 30 ArbeiterInnen.

  • Serben arbeiteten in den Aluminiumwerken spätestens ab Februar 1942. Eine größere Gruppe von ihnen waren offensichtlich zumindest anfänglich im Gesellschaftshaus in Weende untergebracht, doch wechselte zumindest ein Teil von ihnen schon im März 1942 in Privatquartiere in Göttingen. Die Schätzung ihrer Gesamtzahl ist wegen der fehlenden Weender Quellen wieder schwierig, doch kann man wohl davon ausgehen, dass insgesamt mindestens 30 Serben bei den Aluminiumerken arbeiteten.

  • Im Sommer 1943 kam eine größere Gruppe von jungen Niederländern in die Aluminiumwerke. Es handelte sich fast ausschließlich um junge Männer des Jahrgangs 1922, vereinzelt auch der Jahrgänge 1923, 1924, daneben gab es noch einige wenige ältere Männer. Diese jungen Männer waren das Opfer der im Mai 1943 in den Niederlanden erfolgten geschlossenen Konskription der Jahrgänge 1922 bis 1924. Sie wurden zunächst in einer einzelstehenden Baracke auf dem Gelände der Aluminiumwerke untergebracht, dann aber ab September 1943 systematisch in der Lager Eiswiese verlegt. Einzelne der holländischen Zwangsarbeiter hatten auch das Glück in Privatquartiere wechseln zu können. Insgesamt waren wohl etwa 80 holländische Zwangsarbeiter bei den Aluminiumwerken beschäftigt.
    Siehe dazu auch die Erinnerungen eines ehemaligen holländischen Zwangsarbeiters, der auch berichtete, dass ein Teil der Produktion der Aluminiumwerke während des Krieges (wohl 1944) in eine ehemalige Scheune in Weende ausgelagert wurde.

  • Bei den Aluminiumwerken arbeiteten ab Oktober 1943 zumindest vorrübergehend auch italienische Zivilarbeiter. Dieses wurden jedoch schon im November 1943 wahrscheinlich geschlossen an die Aktenordnerfabrik Emil Mehle & Co abgegeben, so dass bei den Aluminiumwerken sehr wahrscheinlich nur noch italienische Kriegsgefangene sog. IMIs arbeiteten. Nach einer Nachkriegsangabe sollen sich bei Kriegsende im Lager Aluminiumwerke 90 IMIs befunden haben. Zwei von ihnen wurden bei einem Bombenangriff, der auch die Gießerei des Aluminiumwerkes traf, am 9. Februar 1945 getötet. Diesem Angriff fielen insgesamt zehn ausländische Zwangsarbeiter zum Opfer (in den Aluminiumwerken neben den beiden Italienern noch zwei sowjetische Kriegsgefangene).

  • Lediglich aus Zeitzeugenaussagen wissen wir, dass ab Sommer 1942 "Ostarbeiter", wohl in erster Linie oder sogar ausschließlich Frauen, auch bei den Aluminiumwerken beschäftigt waren. Untergebracht waren diese in einer Baracke des betriebseigenen Lagers Aluminiumwerke, wahrscheinlich aber zum Teil auch im Lager Schützenplatz (hier sind die Aussagen nicht ganz eindeutig). Genauer informiert sind wir lediglich über eine Gruppe von 80 Zwangsarbeitern aus Weißrussland (ausschließlich Frauen mit Kindern und Jugendlichen), die im März 1944 in die Aluminiumwerke kamen. Diese waren in einer Baracke des betriebseigenen Lagers Aluminiumwerke untergebracht. Insgesamt kann man daher wohl davon ausgehen, dass über die gesamte Kriegszeit mindestens 100 Ostarbeiterinnen (zum Teil mit ihren Kindern) in den Aluminiumwerken arbeiteten und im dortigen Lager lebten. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Aluminiumwerke auch ArbeiterInnen aus dem von der sog. Küchenvereinigung betriebenen Lager Schützenplatz bezogen, da die Aluminiumwerke für dieses Lager ja sogar die Geschäftsführung übernommen hatten. Leider wurden OstarbeiterInnen grundsätzlich nur in den seltensten Fällen gemeldet, so dass auch die für das im Göttinger Gebiet liegenden Lager Schützenplatz nur nicht nach Betrieben spezifizierte statistische Angaben vorliegen. Auch eine nur ungefähre Schätzung ist daher in diesem Fall nicht möglich. Es lässt sich lediglich sagen, dass in den Aluminiumwerken während des gesamten Krieges deutlich mehr als 100 OstarbeiterInnen (darunter mindestens zehn Kinder zwischen 8 und 15 Jahren) arbeiteten. Zwei der den Aluminiumwerken zugewiesenen Kinder erkankten schwer an Fleckfieber.

  • Spätestens seit November 1942 arbeiteten in den Aluminiumwerken auch sowjetische Kriegsgefangene. Die Aluminiumwerke hatte für diese extra ein eigenes Lager auf dem Firmengelände errichtet. Nach einer Angabe aus dem Jahre 1949 befanden sich am Ende des Krieges noch 280 sowjetische Kriegsgefangene in diesem Lager, insgesamt waren bei den Aluminiumwerken also sicher über 300 sowjetische Kriegsgefangene beschäftigt.
    Zu den sowjetischen Kriegsgefangenen siehe auch die Erinnerungen eines ehemaligen holländischen Zwangsarbeiters.

  • Polen arbeiteten in den Göttinger Rüstungsbetrieben zu Beginn des Krieges überhaupt nicht. Das änderte sich erst im September 1944, nachdem mit Beginn des Warschauer Aufstandes ganze Familien (darunter auch Kleinkinder) nach Göttingen deportiert wurden. In den Aluminiumwerken arbeiteten als Folge davon eine nicht genau bekannte Zahl von Polen (hauptsächlich Frauen), die mit ihren Familien in einer Baracke im firmeneigenen Lager untergebracht waren. Au�erdem sind einzelne Polinnen nachgewiesen, die von Sommer 1942 bis zum September 1944 in den Göttinger Universitätskliniken gearbeitet hatten, und dann in die Aluminiumwerke umgesetzt wurden. Auch hier haben wir - aufgrund der nicht vorhandenen Meldeunterlagen keine genauen Zahlen. Insgesamt kann man wohl davon ausgehen, dass ab Herbst 1944 sicher über 20 PolInnen in den Aluminiumwerken arbeiteten.

    Insgesamt arbeiteten während der gesamten Kriegszeit also annähernd 1000 ZwangsarbeiterInnen (davon etwa 500 französische und russische Kriegsgefangene) in den Aluminiumwerken. Leider gibt es keine Zahlen über die Belegschaftsstärke zu Beginn des Krieges. Es ist lediglich bekannt, dass die Aluminiumwerke vor Übernahme durch die Aluminium Limited 1930 180 Mitarbeiter hatte und nach dem Kriege im Jahre 1950 über 1000. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die Produktion zumindest ab 1942 in erster Linie von Zwangsarbeitern aufrechterhalten wurde.


  • Erinnerungen ehemaliger Zwangsarbeiter der Aluminiumwerke


    Quellen:

    Zeitzeugenberichte Anastasija Nikolajewna B. (geb. 1933), Nikolai Iwanowitsch B. (geb, 1932), Tamara Stepanowna K. (geb. 1936), Sofija Stepanowna K. (geb. 1930), Galina Stepanowna K. (geb. 1928), Janina L.-O. (geb. 1928), Neonila Stepanowa B. (geb. 1925), Vera Dimitriewna H. (geb. 1925), Lobowa, Natalia T. (geb. 1923), Rosalija Petrowna G. (geb. 1922), Stadtarchiv Gö ttingen, Sa. 32- Sammlung Tollmien.

    Cornelius J. K., Verlorene Jahre, Erinnerungen aus den Jahren 1943-1945, o.J. [2001].

    Friedrich V., Interview 13.1.1977.

    Einwohnermeldekartei, Stadtarchiv Göttingen - Auswertung und entsprechende Hochrechnung von 24,12 % der insgesamt 1082 Kisten (Zahl bereinigt um Kisten mit ausschließlich typisch deutschen Namen wie Müller, Schmidt, Schulze) der alten Einwohnermeldekartei, die im Stadtarchiv Göttingen aufbewahrt wird. Sonstige Meldeunterlagen sind für die Aluminiumwerke nicht vorhanden. Da diese aber in dem damals noch selbständigen Vorort von Göttingen, Weende, lagen, geben die Göttinger Meldeunterlagen bezogen auf die Aluminiumwerke nur ein sehr unvollständiges Bild. Dort sind lediglich diejenigen Zwangsarbeiter erfasst, die in einem Göttinger Lager oder einer Privatwohnung in Göttingen untergebracht waren; also beispielsweise keine Polen, die im firmeneigenen Lager der Aluminiumwerke in Weende untergebracht waren oder auch keine Tschechen, die sich in Weende eingemietet hatten. Lediglich bei einem "Umzug" ergab die Angabe des vorherigen oder des zukünftigen "Wohnortes" einige Hinweise auf die Zwangsarbeiter der Aluminiumwerke. Die oben genannten Zahlen sind daher, wenn sie wie insbesondere bei den Tschechen und den französischen Zivilarbeitern nur auf der Auswertung der Einwohnermeldekartei beruhen, nur sehr grobe Schätzungen.

    Aktennotizen 17.9.1940, 20.9.1940, 27.11.1940, 3.12.1940, 11.12.1940, 13.2.1941, 14.2.1941, Stadtarchiv Göttingen, Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 48, o.P.

    Gnade an Reichsbankstelle 10.5.1941, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 52, o.P

    Statistiken August/September 1944, Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 541f. , Bl. 544-547.

    Ordnungsamt Register Fremdenpässe (Acc. Nr. 1047/1991), angefangen 4.2.1942, Stadtarchiv Göttingen (Einträge 90/1943, 91/1943, 92/1943, 93/1943, 97/1943, 100/1943, 104/1943, 116/1943, 113/1943, 125/1943, 18/1944, 43/1944, 134/1944, 135/1944, 156/1944, 157/1944, 179/1944, 182/1944, 183/1944, 187/1944, 192/1944).

    Aufenthaltsanzeigen für Ausländer, Pol.Dir. Fach 124 Nr. 15, Stadtarchiv Göttingen.

    Chronik der Stadt Göttingen (MS) 9.2.1945, Stadtarchiv Göttingen.

    Sterbebuch Weende 6/1945, 7/1945, Stadtarchiv Göttingen, Standesamtliche Unterlagen.

    Korrespondenz Städtischer Friedhof Dezember 1942, Stadtarchiv Göttingen, Grünflächenamt C 83 Nr. 156, Bl. 16-18, Bl. 20-23; Friedhofsverwaltung 16.1.1943, ebd., Nr. 155, o.P.

    Fleckfiebermeldungen 6.4.1944, 14.4.1944, Stadtarchiv Göttingen, Fach 74 Nr. 6, Bl. 92, 94.

    Lageraufnahme Belgischer Suchdienst 1949, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover Film 3, Nr. 1486 (Lager Aluminiumwerke); Todesmeldung 9.2.1945, ebd. Hann 171 a Staatsanwaltschaft Göttingen Acc. 92/79 Nr. 13, Bl. 4 f.

    Bericht des französischen Vertrauensmannes 12.4.1942, abgedruckt in: Frank Baranowski, Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen, Duderstadt 1995, S. 96.

    Liste von belgischen Arbeitern in den Aluminiumwerken, Arolsen Archives, DE ITS 2.1.2.1 NI 027 7 BLZM.

    Literatur:

    Frank Baranowski, Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit, Duderstadt 1995, S. 37.

    Chronik, Alcan Deutschland 1928-1985, Eschborn o.J. (1985), S. 14-21, S. 24 f., S. 30, S. 75 (dort auch die abgebildeten Fotos und die Grafik); vgl. auch die Kurzfassung auf der Homepage der seit Januar 2005 unter dem Namen Novelis firmierenden ehemaligen Aluminiumwerke

    Karl Haubner, Die Stadt Göttingen im Eisenbahn- und Industriezeitalter, Göttingen 1964, S. 50.

    Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, Stuttgart München 2001, S. 59.

    Cordula Tollmien, Nationalsozialismus in Göttingen (1933-1945), Dissertation Göttingen 1999, S. 153.

     


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