Lager Aluminiumwerke
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Das ist ein Luftbild des westlich der Hannoverschen Straße gelegenen Werksgeländes (entstanden und freigegeben durch das Luftamt Hamburg 1957/58); eingezeichnet ist die Grundstücksgrenze bis 1957 (gestrichelt) und die Grundstücksgrenze ab 1977/78 (durchgezogen), als die Aluminiumwerke auch noch Lagerhallen und Bürogebäude der Holzhenkelwerke erwerben konnten (Nr. 20-24).
Es ist anzunehmen, dass die Baracken unter Nr. 12 ursprünglich zu dem betriebseigenen Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager gehörten. Die Zeitzeugen erinnern sich auch an Gärten (Nr. 13) in unmittelbarer Nähe des Lagers, dabei kann es sich allerdings auch im Gärten auf der Ostseite der Hannoverschen Straße gehandelt habe, die noch nicht vollständig bebaut war. Sicherlich war das Lager während der Kriegszeit sehr viel ausgedehnter als auf dieser Aufnahme erkennbar. |
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Sofija Stepanowna K., geb. 1930, wurde im März 1944 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern aus Weißrussland nach Deutschland deportiert. Sie hat im Januar 2001 aus dem Gedächtnis die nebenstehende Skizze des Lagers Aluminiumwerke angefertigt. Sicher ist diese Skizze im Detail nicht sehr zuverlässig (insbesondere ist die Anzahl der gezeichneten Baracken zu gering), aber sie gibt doch - wie ein Vergleich mit dem obenstehenden Luftbild zeigt - die Verhältnisse auf dem Gelände zumindest grob richtig wieder: so ist das Lager relativ zur Straße Göttingen-Weende richtig eingezeichnet, ebenso wie das ostseitige Fabrikgebäde. Außerdem erinnerte sich Sofija Stepanowna richtig daran, dass im firmeneigenen Lager Aluminiumwerke neben "Russen" (Weißrussen, Ukrainer), auch Kriegsgefangene aus Frankreich, der Sowjetunion und Italien untergebracht waren. Nikolaj Iwanowitsch B. (geb. 1932) erinnerte sich auch noch an eine Baracke mit polnischen Familien, was durch die Zeitzeugenaussage einer Polin, die im Sommer 1944 nach Beginn des Warschauer Aufstand gemeinsam mit ihrer Familie (darunter auch Kleinkinder) und ihren Nachbarn nach Göttingen deportiert worden war und in den Aluminiumwerken Zwangsarbeit leisten musste, bestätigt wird. Auch diese Zeitzeugin erinnerte sich an die in der Nähe des Lagers gelegenen Gärten. |
Einhellig erinnern sich vor allem die Kinder und Jugendlichen unter den Zeitzeugen an die überlebenswichtige Bedeutung, die die Franzosen für sie hatten: Sie versorgten die "Ostarbeiter" und speziell die Kinder unter ihnen mit Essen aus den Rot-Kreuz-Paketen, die sie bekamen. Ebenfalls mehrfach erwähnt wird der brutale, einarmige Lagerführer, der die Kinder schlug, wenn sie verbotenerweise zu den Franzosen gingen, und der auch die sowjetischen Kriegsgefangenen, wenn sich ebenso verbotenerweise bei ihren zivilen Landsleuten aufhielten, festnehmen ließ. Nach ihren Erinnerungen soll er sogar eine SS-Uniform (schwarz mit Totenkopf) getragen haben. Die ersten beiden Baracken hatten die Aluminiumwerke bereits im Dezember 1940 für französische Kriegsgefangene aufgestellt: Zwischen Februar und Mai 1941 zogen die ersten Kriegsgefangenen dort ein. Am Ende des Krieges bestand das Kriegsgefangenenlager nach einer Angabe aus dem Jahre 1949 insgesamt aus einem festen Gebäude und sieben Baracken, von denen nach der Zahl der dort untergebrachten Gefangenen zu schließen, zwei mit französischen Kriegsgefangenen, drei oder vier von sowjetischen und eine von italienischen Kriegsgefangenen belegt war.
In dem Kriegsgefangenenlager der Aluminiumwerke waren untergebracht:
Im Lager Aluminiumwerke waren ab Oktober 1943 auch etwa 40 sowjetische Kriegsgefangene untergebracht, die dem städtischen "Fahrbereitschaftsleiter", der auf kommunaler Ebene für die Koordination des Nahverkehrs verantwortlich war, zugeordnet waren. Diese Kriegsgefangenen arbeiteten in Belade- und Entladekolonnen, die auf Anforderung von Reichsbahndienststellen bzw. der Anlieferer oder der Empfänger von Gütern (hier dem städtischen Gas- und Wasserwerk) oft in Nachtarbeit Güterzüge (Kohlenwaggons) zu ent- oder beladen hatten. Zu den sowjetischen Kriegsgefangenen siehe auch die Erinnerungen eines ehemaligen holländischen Zwangsarbeiters. In dem Zivilarbeiterlager der Aluminiumwerke waren untergebracht: Zum Barackenlager Aluminiumwerke siehe auch die Erinnerungen eines ehemaligen holländischen Zwangsarbeiters. Quellen: Zeitzeugenberichte Anastasija Nikolajewna B. (geb. 1933), Nikolai Iwanowitsch B. (geb, 1932), Tamara Stepanowna K. (geb. 1936), Sofija Stepanowna K. (geb. 1930), Galina Stepanowna K. (geb. 1928), Janina L.-O. (geb. 1928), Neonila Stepanowa B. (geb. 1925), Vera Dimitriewna H. (geb. 1925), Lobowa, Natalia T. (geb. 1923), Rosalija Petrowna G. (geb. 1922), Stadtarchiv Göttingen, Sa. 32- Sammlung Tollmien. Cornelius J. K., Verlorene Jahre, Erinnerungen aus den Jahren 1943-1945, o.J. [2001]. Erinnerungen ehemaliger Kinderzwangsarbeiter aus Weißrussland 2001. Einwohnermeldekartei, Stadtarchiv Göttingen - Auswertung und entsprechende Hochrechnung von 24,12 % der insgesamt 1082 Kisten (Zahl bereinigt um Kisten mit ausschließlich typisch deutschen Namen wie Müller, Schmidt, Schulze) der alten Einwohnermeldekartei, die im Stadtarchiv Göttingen aufbewahrt wird. Sonstige Meldeunterlagen sind für die Aluminiumwerke nicht vorhanden. Da diese aber in dem damals noch selbständigen Vorort von Göttingen, Weende, lagen, geben die Göttinger Meldeunterlagen bezogen auf die Aluminiumwerke nur ein sehr unvollständiges Bild. Dort sind lediglich diejenigen Zwangsarbeiter erfasst, die in einem Göttinger Lager oder einer Privatwohnung in Göttingen untergebracht waren; also beispielsweise keine Polen, die im firmeneigenen Lager der Aluminiumwerke in Weende untergebracht waren oder auch keine Tschechen, die sich in Weende eingemietet hatten. Lediglich bei einem "Umzug" ergab die Angabe des vorherigen oder des zuküftigen "Wohnortes" einige Hinweise auf die Zwangsarbeiter der Aluminiumwerke. Die oben genannten Zahlen sind daher, wenn sie insbesondere bei den Tschechen nur auf der Auswertung der Einwohnermeldekartei beruhen, nur sehr grobe Schätzungen. Statistiken August/September 1944, Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 541f. , Bl. 544-547. Korrespondenz Städtischer Friedhof Dezember 1942, Stadtarchiv Göttingen, Grünflächenamt C 83 Nr. 156, Bl. 16-18, Bl. 20-23; Friedhofsverwaltung 16.1.1943, ebd., Nr. 155, o.P. Fleckfiebermeldungen 6.4.1944, 14.4.1944, Stadtarchiv Göttingen,Fach 74 Nr. 6, Bl. 92, 94. Sterbebuch Weende 6/1945, 7/1945, Standesamt Göttingen. Lageraufnahme Belgischer Suchdienst 1949, Lager Weende I (Aluminiumwerke), Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover Film 3, Nr. 1486. Literatur: Chronik, Alcan Deutschland 1928-1985, Eschborn o.J. (1985), S. 31 (Luftbild). Cordula Tollmien, Zwangsarbeiter in Ämtern, Dienststellen und Betrieben der Göttinger Stadtverwaltung während des Zweiten Weltkriegs (Fassung ohne Namensnennungen), Göttingen Dezember 2000 (Manuskript im Stadtarchiv Göttingen), S. 50 f.
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