NS-Zwangsarbeiter: Zuschauerfotos
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Zuschauerfotos 1: Der Rechnungsführer des Kriegsgefangenenkommandos Lohberg hat die Ankunft und Registrierung der französischen Kriegsgefangenen im Jahre 1940 oder 1941 fotografiert und diese Fotos später säuberlich beschriftet unter dem Motto "Unser Lager" in ein Fotoalbum geklebt. Er betätigte sich dabei als "neutraler" Dokumentarist, ohne erkennbare innere Beteiligung, und insofern handelt es sich hier tatsächlich um typische Zuschauerfotos, wie sie sich zu tausenden in den Alben deutscher Soldaten fanden. Die innere Distanz wird besonders deutlich an der Bildunterschrift bei dem ersten der nebenstehenden Fotos. Dort steht: "Fw [Feldwebel - Name ankenntlich gemacht] u. franz. Dolmetscher G[Name unkenntlich gemacht]. Später stellte sich heraus, daß G. Jude war."
Anders als bei den polnischen und sowjetischen Juden, die in deutsche Kriegsgefangenenschaft geraten waren, hatte die Wehrmacht zwar nicht gewagt, die jüdischen Kriegsgefangenen unter den Franzosen zu ermorden. Doch sonderte sie diese zumeist von ihren nichtjüdischen Kameraden ab, schikanierte sie und stigmatisierte sie durch einen Judenstern. Die meisten von ihnen überlebten. Was mit G. geschah wissen wir nicht, weil der dokumentierende deutsche Soldat einen Kommentar zu seinem weiteren Schicksal für überflüssig hielt.
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Zuschauerfotos 2: Auch in den Betrieben wurden Fotos gemacht, oft vom Betriebseigner selbst oder von deutschen Vorarbeitern oder Wachleuten. Auch diese Fotos sind auf uns bisher ausschließlich durch die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen selbst gekommen (nicht von den jeweiligen Firmen oder den deutschen Fotografen). Daraus folgt zum einen, dass diese Fotos den ZwangsarbeiterInnen von den jeweiligen Fotografen als Erinnerung überlassen wurden, was etwa in dem Fall des nebenstehend abgebildeten Fotos aus der Konservenfabrik Hillebrandt mit dem Betriebseigener in der Mitte ja immerhin bedeutete, dass über dreißig Abzüge angefertigt werden mussten. Und es bedeutet zum anderen, dass diese Fotos - wie die Erfassungsfotos auch - aus dem Kontext des Täter-/Zuschauerfotografen in den privaten Erinnerungsschatz des Opfers übernommen wurden - und dies auch dann, wenn diese, wie für die Konservenfabrik Hillebrandt bezeugt, bei einem Arbeitstag von 15 Stunden zu wenig zu Essen erhielten, keine Waschgelegenheit hatten und von dem Fabrikeigner mit einem Wasserschlauch geschlagen wurden. Interessanterweise ist ausgerechnet aus der Firma Hillebrandt auch eine Aufnahme überliefert, die wie eine private, nicht ganz perfekte Nachahmung eines der Propagandafotos der DAF anmutet: Vier Ostarbeiterinnen mit Gitarre, Mandoline und Balaleika. Nach Aussage der ehemaligen Zwangsarbeiterin, von der die Fotos stammen, hat tatsächlich auch zumindest einmal ein Konzert stattgefunden: dies allerdings für Deutsche, an dem auch die Zwangsarbeiterinnen teilnehmen durften!
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Zuschauerfotos 3: ZwangsarbeiterInnen wurden von Deutschen auch privat fotografiert, allerdings nur dann, wenn eine persönliche Beziehung zu ihnen bestand. Das bedeutet, dass die uns überlieferten privat von Deutschen geknipsten Fotos von ZwangsarbeiterInnen fast ausschließlich Haus- und Kindermädchen zeigen meist gemeinsam mit den von ihnen betreuten Kindern oder aber aus quasi-privaten Arbeitsbeziehungen stammen, wie sie etwa auf dem Land gegeben waren. Obwohl dieses Forschungsprojekt auf den Stadtkreis Göttingen (mit Grone, Geismar und Weende) beschränkt war und daher Beziehungen zu ehemaligen Zwangsarbeitern aus dem Landkreis Stadt Göttingen nicht gezielt gesucht, sondern sich nur zufällig ergaben, überwiegen in dem von uns aufgebauten Fotobestand in der Kategorie „Privatfotos von Deutschen“ eindeutig die Fotos aus der Landwirtschaft.
Göttinger haben uns bisher private Fotos von Zwangsarbeit und Zwangsarbeitern bis auf zwei Ausnahmen nicht übergeben. In beiden Fällen handelt es sich aber wieder um Fotos aus dem privaten Bereich, die wie das nebenstehende Foto eine enge persönliche fast freundschaftliche Beziehung spiegeln (um ein besonders schönes Foto zu machen, wurde das Ost-Abzeichen extra mit einer Blume abgedeckt) und darüber hinaus sogar von Solidarität mit den ausgebeuteten ZwangsarbeiterInnen gekennzeichnet war: die nebenstehende junge Ostarbeiterin wurde von der Sozialdemokratin Meta Steinmann, die 2005 posthum von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet wurde, gezielt als Hausgehilfin aus dem Lager Schützenplatz geholt, um ihr durch Kleidung und Essen helfen zu können. Diese Solidarität entstand häufig am Arbeitsplatz, so haben wir auch die Fotos eine Ostarbeiterin und ihrer deutschen Kollegin, die diese sich gegenseitig geschenkt haben und wahrscheinlich auch gemeinsam bei dem Fotografen Blankhorn haben anfertigen lassen. Für diese Arbeitsplatzsolidarität gibt es auch noch andere Beispiele.
Siehe auch Erinnerungen an Anna aus der Ukraine
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Quellen:
Aufenthaltsanzeigen für Ausländer, Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir. Fach 124 Nr. 15.
Fotos Kriegsgefangenenlager Lohberg, Städtisches Museum Göttingen, Fotoarchiv.
Fotos aus dem Privatbesitz ehemaliger Zwangsarbeiter, Stadtarchiv Göttingen, Sa. 32- Sammlung Tollmien (Foto-CD).
Zeitzeugenaussage Vera Aleksandrowna Sch. 9.9.2002, 27.3.103, 6.10.2003; Elfriede N. 25.8.2000, Stadtarchiv Göttingen, Sa. 32- Sammlung Tollmien.
Literatur:
Mark Spoerer, Mark, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, Stuttgart München 2001, S. 103.
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