Allgemeine Lebensumstände

Französische Kriegsgefangene:

Französische Kriegsgefangene fielen in den Zuständigkeitsbereich der Wehrmacht und das Reichssicherheitshauptamt hatte daher lediglich die üblichen Bestimmungen veröffentlicht, nach denen der deutschen Bevölkerung der Kontakt mit Kriegsgefangenen über das bei der Arbeit notwendige Maß hinaus verboten war. Auch die dann im Juli 1940 vereinheitlichten Arbeitseinsatzbestimmungen entsprachen den internationalen Vereinbarungen. Kriegsgefangene durften nicht zu Arbeiten eingesetzt werden, die "in unmittelbaren Beziehungen zu den Kriegshandlungen" standen, die Unternehmer hatten für sie zwischen 60 und 80 Prozent der ortsüblichen Durchschnittslöhne an die Stalags zu zahlen und den Gefangenen Unterkunft und Verpflegung zu gewähren. Die Arbeitszeit sollte sich "nach Ortsgebrauch und körperlicher Leistungsfähigkeit" richten, allerdings mit dem Zusatz: "Die Arbeitskraft ist auf das schärfste anzuspannen." In der rassistischen Hierarchie der Nationalsozialisten standen die Franzosen sehr weit oben (übertroffen wurden sie nur noch von den "germanischstämmigen" Flamen), was sich unter anderen auch daran zeigte, daß sowohl reichsweit als auch in Göttingen und Umgebung die meisten Anzeigen wegen "verbotenen Umgangs" oder Geschlechtsverkehrs zwischen Deutschen und ausländischen Arbeitern die französischen Kriegsgefangenen betrafen. Dennoch ging es auch den französischen Kriegsgefangenen in Deutschland keineswegs gut: Schon im ersten Jahr ihres Einsatzes gelangten aus dem gesamten deutschen Reich so viele Berichte über die schlechte Lage der französischen Kriegsgefangenen nach Frankreich (und standen damit der geplanten Intensivierung der Anwerbung ziviler Arbeiter entgegen), dass sich die deutschen Behörden im Oktober 1941 veranlasst sahen, Erleichterungen und insbesondere eine etwas größere Bewegungsfreiheit für die französischen Kriegsgefangenen zu genehmigen.

In den Lagern gab es auch Freizeitmöglichkeiten, so bauten sich die französischen Kriegsgefangenen im Lager Lambrecht ein eigenes Theater, das allerdings vom Kommandoführer verbrannt wurde.

Zu den Lebensbedingungen speziell in Göttingen siehe
den Bericht des französischen Vertrauensmannes des Stalags Fallingbostel über seine Inspektionsreise im April 1942

Cordula Tollmien: "Feind bleibt Feind" - französische (und belgische) Kriegsgefangene in Göttingen seit Frühsommer 1940, unveröffentlichtes Manuskript 2004 (mit geringfügigen Änderungen im September 2011)

Cordula Tollmien: Zwangsarbeiter der Göttinger Stadtverwaltung, Stand Dezember 2000 (mit geringfügigen Änderungen und Ergänzungen im Oktober 2011, unveröffentlichter Bericht.


Niederländische Zwangsarbeiter:

Die niederländischen Zwangsarbeiter konnten sich, auch wenn sie in einem Lager untergebracht waren, während ihrer Freizeit frei in der Stadt bewegen. Siehe dazu die Erinnerungen eines ehemaligen holländischen Zwangsarbeiters der Aluminiumwerke und die eines holländischen Zwangsarbeiters im Flakzeugamt. Sie nahmen wie die Franzosen auch an Freizeitaktivitäten, Sport, Konzerten, Kino teil und auch eine holländische Band gab es in Göttingen.


Französische Zivilarbeiter:

Die französischen Zivilarbeiter hatten sowohl eine eigene Gefangeneorganisation, die "Amicale des Travailleurs Français en Allemagne" als auch eine eigene Lagerzeitung. Die Amicale organisierte Kultur- und Sportveranstaltungen für die Franzosen, die sogar zu Wettkämpfen ins benachbarte Kassel fuhren.

Zur privaten Freizeitgestaltung von französischen Zivilarbeitern siehe die Fotos hier und hier.


"Ostarbeiter":

Da die Arbeits- und Ernährungsbehörden auf der unteren Ebene die allgemeinen Vorschriften für die sowjetischen Zivilarbeiter und Kriegsgefangenen häufig noch zusätzlich verschärften, waren deren Arbeits- und Lebensbedingungen so schlecht, daß schon kurze Zeit nach dem Eintreffen der ersten Transporte aus dem ganzen Reichsgebiet Beschwerden aus einzelnen Betrieben eintrafen: Die Ernährungslage sei katastrophal, die Unterbringung unzureichend und der Lohn durch eine zusätzliche "Ostarbeitersteuer" so gering sei, daß er keinen Leistungsanreiz enthalte. Kurz gesagt: Die von den "Ostarbeitern" aufgrund ihrer drückenden Lebensumstände erbrachte Leistung war angesichts der Produktionsforderungen für die Betriebe einfach zu gering. Ursache dieser vom wirtschaftlichen Standpunkt aus absurd wirkenden Entwicklung waren aber nicht nur die genannten Erlasse, sondern auch die in den Behörden und Betrieben vorherrschende Einstellung, wonach der "Russe" "rassisch wertlos" sei und zu höheren und qualifizierten Leistungen gar nicht in der Lage.

Die Ostarbeiter waren im Alltag besonderen Einschränkungen unterworfen. Das Verbot, die Lager zu verlassen, war bereits im April 1942 gelockert und im Dezember 1942 ganz aufgehoben worden. Im Laufe des Jahres 1943 glichen sich ihre Lebensbedingungen formal immer mehr denen der Polen an.

In ihrer kargen Freizeit blieb ihnen dennoch häufig nichts anderes übrig, als sich auf dem Göttinger Stadtfriedhof zu treffen, weil sie in den Straßen der Stadt nicht gern gesehen waren, oder sie besuchten ihre Landsleute in anderen Lagern oder versuchten bei Gefahr der Verfolgung wegen Bettelns selbstgemachtes Spielzeug an die Göttinger Bürger zu verkaufen bzw. gegen Essen zu tauschen.

Erinnerungen der weißrussischen Kinderzwangsarbeiter in den Aluminiumwerken an die dortigen Möglichkeiten der "Freizeitgestaltung":

  • Nikolai Iwanowitsch B., geb. 1936
  • Sofija Stepanowa K., geb. 1930

    "Ostarbeiter" erhielten manchmal Hilfe durch französische oder holländische Westarbeiter. Auch ihnen drohten gegebenenfalls Strafen dafür.

    Zu den Freizeitangeboten für "Ostarbeiter" durch die DAF siehe hier. Von den angeblich so schönen Zuständen und den reichhaltigen Freizeitangeboten in den Reichsbahnlagern gibt es Propagandafotos der DAF. Wenn sich die Ostarbeiterlager in der Nähe von Lagern der Westarbeiter befanden, so kam es manchmal zu Kontakten beispielsweise zwischen Ostarbeiterinnen und Holländern oder auch Franzosen; dann konnten die Ostarbeiterinnen auch an den französischen Kulturveranstaltungen teilnehmen. Musikstudentinnen aus Charkow, die bei Schneeweiß Zwangsarbeit verrichten mussten, gestalteten Betriebs- und Lagerfeiern und erhielten dafür Vergünstigungen.


    Behandlung durch Deutsche

    Erinnerungen der weißrussischen Kinderzwangsarbeiter in den Aluminiumwerken an ihre Kontakte zu Deutschen:

  • Nikolai Iwanowitsch B., geb. 1936
  • Sofija Stepanowa K., geb. 1930
  • Anastasija Nikolajewna B., geb. 1933

    Siehe allgemein zu den Lebensumständen der "Ostarbeiter" deren Erinnerungen an ihre Zwangsarbeit in Göttingen.


  • Quellen und Literatur:

    Erinnerungen Egon J., geb.8.2.1935, Interview C. Tollmien 12.1.2004, Protokoll, Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32-Tollmien.

    Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, Stuttgart München 2001, S. 198.

    Ulrich Herbert, Fremdarbeiter - Politik und Praxis des "Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin / Bonn 1985, S. 97 (Zitat französische Kriegsgefangene).

    Cordula Tollmien: Zwangsarbeiter der Göttinger Stadtverwaltung, Stand Dezember 2000, unveröffentlichter Bericht, S. 71 f., S. 77 f.

     


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