Erinnerungen von Polen, die in Geismar, Grone und Weende in der Landwirtschaft arbeiteten |
|
Stefan M., geb. am 19.2.1921 wurde während einer Razzia von der polnischen Polizei in Chmielnik gefangen genommen und nach Deutschland deportiert. Er kam nach Geimar zu Landwirt Engelhardt, wo er bis zu seiner Flucht im Juni 1942 arbeitete. Engelhardt habe ihn "ziemlich gut" behandelt, schrieb er, er habe in einem Raum neben der Waschküche gewohnt, die auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes lag. Er sei der einzige Zwangsarbeiter bei Engelhardt gewesen. Nach seiner Flucht gelang es ihm, sich immerhin bis Parchim (zwischen Lübeck und Neubrandenburg) durchzuschlagen, wo er gefasst und nach einer Polizeihaft vor Gericht gestellt wurde. Das Gericht verurteilte ihn zu einem Jahr Gefängnis, das er in Bützow Kreis Güstrow absass. Während seiner Gefängniszeit arbeitete er - wie auch die Insassen des Göttinger Gerichtsgefängnisses - für eine Käsefabrik (beim Aufladen von Käse und beim Bau neuer Fabrikhallen) und auf einer Mülldeponie, wo er Müll sortieren muste.
Nach Verbüßung seiner Haftzeit wurde M. nicht etwa entlassen, sondern in das Arbeitserziehungslager Wuhlheide gebracht, wo er das gesamte Arsenal von den in den Arbeitserziehungslagern üblichen Misshandlungen erlebt: "Ich habe sehr viele Tote gesehen. Hunderte, während meines ganzen Aufenthalts sogar Tausende von Toten, die zuerst gefoltert und misshandelt, dann erschlagen und erschossen wurden. [...] Die Todesursachen waren: Zwangsarbeit, Schläge, der Entzug von Nahrung, Erschießen: Manchmal hat man zum Spaß auf uns geschossen wie auf Enten." Doch auch danach war seine Leidenszeit noch nicht zu Ende: Am 9.3.1944 wurde Stefan M. in das Außenlager Dora (bei Nordhausen) des Konzentrationslagers Buchenwald überführt, wo er in einem Steinbruch an dem Tunnel für die geplante Raketenfabrik arbeiten musste. In der Häftlingskartei wurde er als Häftling Nr. 1678 als "politischer Pole" geführt. Befeit wurde Stefan M. im April 1945 durch die Amerikaner, die ihn in einem Militärkrankenhaus in Bergen-Belsen (er wog nur noch 35 kg) versorgt und anschließend in Malmö (schweden) so weit wieder hergestellt, das er im Herbst 1946 nach Polen zurückkehren konnte. |
Tadeusz K., geb. am 28. Juli 1921, wurde im Juni 1940 nach Deutschland deportiert. Er arbeitete in Grone bei dem Landwirt Georg Schrader, der ihn - so Tadeusz K. - gut behandelte und gut untergebracht hatte. Sein Arbeitstag dauerte 12 Stunden, sonntags war frei, aber manchmal musste er auch nachts arbeiten. Das Essen war gut und reichlich - es gab viermal am Tag zu essen - und auch Kleidung und Schuhe bekam er vom Bauern. Obwohl es K. bei seinem Landwirt gut getroffen zu haben schien, spricht sein kurzer Brief, den er seinen dürren Worten über seine Zwangsarbeit in Deutschland beigab, unterschwellig deutlich von der Gewalt und Angst, die jedem Zwangsarbeitsverhältnis zugrundelag:
Als der zweite Weltkrieg begann, lebte ich zusammen mit den Eltern und dem Geschwister im Dorf Wyrów. Wir besaßen eine Landwirtschaft mit einer Fläche von ca. 4,5 Hektar. Wir züchteten Vieh und Schweine. Wir haben Baumaterial für den Bau einer Wohnung zusammengetragen: Holz, Kalk, 20 Tausend Ziegeln. Es kamen die Deutschen und haben unseren Besitz registriert und zwei Wochen später kamen sie wieder und haben uns ausgesiedelt. Sie haben uns in die Ortschaft Rózki in eine Scheune gebracht. Später kamen die Busse und brachten uns zu einer Fabrik in der Stadt Lódz, wo wir übernachtet haben. Man hat uns das Geld weggenommen und unter der Aufsicht von Gendarmen nach Deutschland deportiert. Am zweiten Tag, nachts waren wir in Deutschland am Ziel. Dort wurden wir ärztlich untersucht. Nach der Untersuchung wurden wir den Landwirten zugeteilt. Ich arbeitete in Grone bei dem Landwirt Georg Schrader. Für uns galt die Polizeistunde, wenn wir sie nicht eingehalten haben, wurden wir bestraft. In Grone arbeitete ich fünf Jahre lang in der Ferne, weit weg von der Familie und den Verwandten. Ich habe eine harte Arbeit in der Landwirtschaft verrichtet." "Mit Bedauern teile ich Ihnen mit, dass mein Ehemann [...] Kazimierz tot ist; er ist am 05.09.1998 gestorben. Unsere Behörden sagen, dass die Menschen, die vor 1999 gestorben sind, keine Entschädigung bei der "Deutschen Stiftung" beantragen können.
Quellen und Literatur:
Fragebogen Stefan M., geb. 19.2.1921, o.D. (Eingang Anfang April 2001), Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32-Tollmien, Korrespondenz.
Häftlingskartei, Gedenkstätte Buchenwald.
Der Ort des Terrors - Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager (hg. von Wolgang Benz und Barbara Distel), Band 3: Buchenwald und Sachsenhausen, München 2006, S. 412-415.
Andre Sellier, Zwangsarbeit im Raketentunnel. Geschichte des Lagers Dora, Lüneburg 2000.
Fragebogen Tadeusz K., geb. 128.7.1921, o.D. (Eingang 19.4.2001), Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32-Tollmien, Korrespondenz.
Brief Jadwiga B. über ihren Ehemann Kazimierz B., geb. 11.1.1928, Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32-Tollmien, Korrespondenz.
|