Erinnerungen von Polinnen, die in Göttinger Haushalten Zwangsarbeit leisteten

Lidia Z., geb.am 27. Juni 1925 in Barnienkowo in der Ukraine, arbeitete von November 1942 bis August 1944 bei einer Göttinger Familie, deren Mann als Richter in Polen tätig war. Die Familie hatte vier Kinder, die älteste war 12 Jahre alt, die jüngsten (ein Zwillingspärchen) fünf Jahre alt. Ihr Arbeitstag begann um 4 Uhr morgens mit dem Anheizen der Böden, dann kochte und putzte sie und kümmerte sich um die Kinder. Im Sommer 1944 wurden alle "Ostarbeiterinnen", die in deutschen Haushalten arbeiteten, abgezogen und Industriebetrieben überwiesen. Obwohl Lidia Z. Polin war, galt sie wegen ihres ukrainischen Geburtsortes als "Ostarbeiterin" und wurde im August 1944 der Firma Ruhstrat überwiesen, wo sie als Metall-Hilfsarbeiterin bis Kriegsende arbeitete. Untergebracht war sie "in Baracken inder Nähe von Eisenbahngleisen", eine Ortsangabe, die sowohl für das Ruhstrateigene Lager Tonkuhle als auch beispielsweie für das Lager Schützenplatz oder das Lager auf der Masch zutraf. Da das Lager Tonkuhle durch seine Lage am Boden einer Tongrube angelegt war, an das sich alle dort untergebrachten Zwangsarbeiter als besonders schrecklich, weil dunkel und feucht, erinnern, war Lidia Z. wahrscheinlich nicht im Lager Tonkuhle, sondern in einem der anderen genannten Lager untergebracht war.

 

Marianna K., geb. am 18.1.1926, wurde im November 1942 von einem deutschen Soldaten und zwei polnischen Polizeibeamten nachts aus ihrer Wohnung geholt. Zunächst kam sie nach Göttingen zur Familie Schräder, die in der Weender Straße (damals Straße der SA 84) eine Bäckerei und Konditorei betrieben. Sie arbeitete zugleich in der Familie und in der Bäckerei als Putzhilfe. Im Oktober 1943 kam sie von dort zu SS-Obersturmführer Georg Eggers im Hohen Weg 12, der sie aus unbekannten Gründen im August 1943 der Gestapo übergab. Vom 28. 8. bis zum 1. 9.1943 war Marianna K. im Göttinger Polizeigefängnis und wurde anschließend zur Feldarbeit geschickt. Sie arbeitete bei einem Bauern in der Nähe von Göttingen bis zum Ende des Krieges.

Lidia Z. mit einem der Kinder der Familie, die sie betreute


Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnermelderegistratur.

Fragebogen und Brief Lidia Z., geb. 27.6.1925, o.D. (Eingang des Fragebogen 29.3.2001), Fragebogen und Brief Marianna K., geb. 18.1.1926, o.D. (Eingang 5.4.2001), Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32- Tollmien, Korrespondenz.

 


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