NS-Zwangsarbeiter: Opferfotos (von den Zwangsarbeitern selbst fotografierte oder in Auftrag gegebene Fotos)

  • Opferfotos 1: Von Zwangsarbeitern selbst fotografierte Fotos sind selten. Private Fotoapparate waren damals noch nicht allgemein verbreitet und Polen und "Ostarbeiter" durften darüber hinaus nicht fotografieren. Erhalten sind daher nur einzelne Fotos, die zumeist von Zwangsarbeitern aus dem Westen (Belgier, Holländer, auch Franzosen, ausschließlich Männer) gemacht wurden, auf denen aber häufig auch PolInnen oder "OstarbeiterInnen" zu sehen sind, häufig die Freundin des Fotografen. Diese bekamen die Bilder dann geschenkt. Diese Fotos unterscheiden sich kaum von den von Deutschen fotografierten Zwangsarbeiterfotos, wenn diese in einem von Sympathie getragenen privaten Umfeld fotografiert wurden.
  • Ostarbeiterin mit einem Belgier

    "Ostarbeiterin" mit einem belgischen Freund

  • Opferfotos 2: Ein größerer Bestand von Fotos ist uns von einem ehemaligen holländischen Zwangsarbeiter überlassen worden, der sich als Student geweigert hatte, die geforderten Loyalitätserklärung für Deutschland zu unterschreiben und der deshalb gemeinsam mit vielen Gesinnungsgenossen im Mai 1943 nach Deutschland deportiert wurde und hier im Flakzeugamt arbeiten musste. Darunter befinden sich einige Lager- bzw. Barackenfotos, vor allem aber handelt es sich um eine Dokumentation der Bombenschäden, die Fliegerangriffe in den letzten Kriegsmonaten beim Flakzeugamt angerichtet hatten. Aufgenommen wurden die Fotos allerdings wohl alle erst nach dem Einmarsch der Amerikaner, da auf einigen von ihnen amerikanische Soldaten abgebildet sind. "Was übrigblieb…" hat C. Louwerse sein Fotoalbum mit diesen Fotos betitelt – ein kleiner, stiller Triumpf über das erlittene Unrecht und die ausgehaltenen körperlichen und seelischen Strapazen. Fotos von Bombenschäden sind unter den Fotos ehemaliger Zwangsarbeiter verständlicherweise relativ häufig.
  • Bombensch&auuml;den im Flakzeugamt

    Leicht ironischer Kommentar von C. Louwerse: "Das ist nun das Resultat von all der Ladearbeit"

  • Opferfotos 3: Die Fotos von Stanislaw Goik, der aus der Westukraine stammte und jetzt in Australien lebt, sind in mehrfacher Hinsicht etwas ganz Besonders: Einmal durften wie gesagt Polen und "Ostarbeiter" eigentlich nicht fotografieren, aber zumindest die polnischen Männer taten dies trotzdem, und Stan Goik sagte auf Nachfrage, dass es kein Problem gewesen sei, an einen Fotoapparat zu kommen (er habe seinen von einem Freund aus der Kohlenhandlung, in der er arbeitete, bekommen), das Problem seien die Filme gewesen und die Bilder entwickeln zu lassen. Offensichtlich aber ist es ihm auch gelungen, an Filme und Entwicklungsmöglichkeiten zu kommen. Goik, der aus einem Dorf in der Nähe von Tarnopol stammte, galt allerdings nicht als "Ostarbeiter", sondern war als Westukrainer den Polen gleichgestellt und konnte sich daher relativ freibewegen. Die zweite Besonderheit ist, dass Goik, der zunächst Kohlenarbeiter bei Winkelhoff & Glaeser und dann als Metallhilfsarbeiter bei Ruhstrat gewesen war, nach einer Erkrankung als Krankenpfleger in der Krankenbaracke arbeitete und uns daher die einzigen Bilder von der Göttinger Krankenbaracke für PolInnen und OstarbeiterInnen überliefert hat. In der Krankenbaracke arbeitete die ukrainische Ärztin, Anna Melnikowa, die Goik am 21. Oktober 1944 heiratete. Sie starb am 9. Februar 1945 wegen eines Abzesses in der Luftröhre aufgrund verschleppter Tuberkulose. Unter den Fotos von Goik befindet sich auch eines des jungen Paares, das der Fotograf Blankhorn gemacht hat, und eins von Goik selbst fotografiert, das das Grab von Anna Melnikowa auf dem Göttinger Stadtfriedhof zeigt.
  • Ärztin der Krankenbaracke mit deutscher Lagerleiterin, Foto Goik

    Ukrainische Ärztin mit deutscher Lagerleiterin und kranken Kindern, Foto Stan Goik

  • Opferfotos 4: Der größte überlieferte Bestand von Fotos aus dem privaten Besitz ehemaliger ZwangsarbeiterInnen stammt von dem Göttinger Profifotografen Adalbert Blankhorn. Diese Fotos zeigen ausnahmslos gut gekleidete ZwangsarbeiterInnen, die zumeist ohne das vorgeschriebene OST-Abzeichen vor der immer gleichen Hintergrundkulisse mal ernst mal lächelnd in die Kamera blicken. Aus Zeitzeugenaussagen wissen wir, dass diese Fotos tatsächlich von den ZwangsarbeiterInnen selbst in Auftrag gegeben wurden, dass sie dafür den Lohn ausgaben, den sie erhielten. Denn für Geld konnte man sich, da es alles Lebensnotwendige nur auf Karten gab, nur sehr eingeschränkt etwas kaufen – Fotos oder auch Postkarten gehörten dazu. Die Kleidung aber, die sie auf den Fotos trugen, war entweder vom Fotografen gestellt oder in Einzelfällen auch einmal von der deutschen Hausfrau geliehen, für die die "Ostarbeiterin" arbeitete. Die Fotos wurden nach Hause geschickt (und haben sich deshalb auch noch so zahlreich erhalten) und sollten der Familie zu Hause zeigen, dass es den ZwangsarbeiterInnen gut ging. Sie waren daher sozusagen private Propagandafotos, die verhindern sollten, dass sich Eltern oder sonstige Verwandte Sorgen machten.
    Aufgrund des immer gleichen, sofort erkennbaren Hintergrunds waren diese Bilder, auch dann wenn sie keinen Stempel des Fotografen Blankhorn trugen, für das für eine Zahlung nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" geforderte Nachweisverfahren von großer Bedeutung: War einem Brief oder Fragebogen ein solches Foto beigelegt, so war damit bewiesen, dass die Absender wirklich in Göttingen gewesen waren.
  • Foto des Fotografen Adalbert Blankhorn

    Eines der Fotos der Fotografen Adalbert Blankhorn aus dem Privatbesitz einer ehemaliger Zwangsarbeiterin

     

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    Quellen:

    Fotos aus dem Privatbesitz ehemaliger Zwangsarbeiter, Stadtarchiv Göttingen, Sa. 32- Sammlung Tollmien (Foto-CD).

    Zeitzeugenaussagen Stan Goik 26.1.2002, 5.10.2002, verschiedene andere Zeitzeugenaussagen, Stadtarchiv Göttingen, Sa. 32- Sammlung Tollmien.


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