NS-Zwangsarbeit: "Arbeitsflucht" und "widersetzliches Verhalten" bei den Serben

Von den 40 Serben in Göttingen, für die die Quellen entsprechende Einträge enthalten, wurden fünf als "geflohen" gemeldet bzw. kamen aus einem Heimaturlaub nicht zurück und vier verhaftet bzw. der Gestapo übergeben oder kamen wegen "widersetzlichen Verhaltens" ins KZ oder waren vor der Arbeitsaufnahme in Göttingen im Gefängnis gewesen. Das ist – nach meinem jetzigen Kenntnisstand – bezogen auf die Gesamtgruppe ein so hoher Prozentsatz (deutlich über 20 %) wie in keiner anderen Nationalitätengruppe. Darin spiegelt sich der erbitterte Widerstand, mit dem die deutschen Arbeitseinsatzbehörden auch vor Ort in Serbien zu kämpfen hatten: Tausende von Serben flohen von den ihnen zugewiesenen Arbeitsplätzen, viele von ihnen schlossen sich den Partisanen an. Ab Mitte 1943 wurden nicht nur Männer, die der Unterstützung von Partisanen verdächtig waren, zwangsweise nach Deutschland verschickt, sondern – wegen des hohen Arbeitskräftebedarfs - auch gefangen genommene Partisanen nicht mehr zwangsläufig hingerichtet, sondern stattdessen ins Reich verschickt. Man kann davon ausgehen, dass diese ehemaligen Partisanen auch auf ihren deutschen Arbeitsplätzen besonders „widersetzlich“ waren.

Haft vor der Zeit in Göttingen (in Klammern der Arbeitgeber):

  • 13.11.1943 bis 28.5.1944 Untersuchungsgefängnis Hannover (Keim)
  • 8.3.1944 Zuweisung nach Gestapohaft (Bäcker)

    Verhaftung in Göttingen (in Klammern der Arbeitgeber):

  • Verhaftung durch Gestapo 29.1.1942 (Bäcker): "kehrte nicht zurück".
  • 27.4.1943: Verhaftung wegen "widersetzlichen Verhaltens" und Überführung in ein Konzentrationslager (Bäcker).

    Flüchtig ("Arbeitsflucht") (in Klammern der Arbeitgeber):

  • Aus dem Urlaub zur Eheschließung im Mai 1943 nicht zurückgekehrt (Ofenbauer Metje)
  • 17.4.1944 (Reichsbahn)
  • 15.6.1944 (Bäcker)
  • 17.6.1944 (serbischer Schlosser in einem metallverarbeitender Betrieb)
  • 27.1.1945 (Friseur)

    Über einen serbischen Reichsbahnarbeiter, der zur SS eingezogen wurde, siehe hier.

    Zurück
     

  • Serbischer Zwangsarbeiter, der von der Gestapo überwiesen wurde

    Einwohnermeldekarte eines Serben [Name und Geburtsdatum unkenntlich gemacht], auf der unter "letzter Aufenthaltsort" eingetragen ist: "von Gestapo überwiesen".

    Einwohnermeldekarte größer



    Quellen:

    Einwohnermeldekarten, Aufenthaltsanzeigen für Ausländer, Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir. Fach 124 Nr. 15; Register Fremdenpässe, ebd. Ordnungsamt acc. 1047/1991 Nr. 258 (Namentlich bekannt sind 51 Serben, doch 11 von ihnen sind nur durch einen Eintrag im Register Fremdenpässe bekannt, in dem spätere Flucht oder Haft nicht vermerkt wurde), Stapo an Landrat 27.4.1943, ebenda Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 479.

    Literatur:

    Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, Stuttgart München 2001, S. 68 f.


    Impressum