NS-Zwangsarbeit: Private Haushalte

In den deutschen Haushalten arbeiteten seit im Juli 1940 ein Aufruf der zuständigen Stellen in Polen ergangen war, dass sich Polinnen - vorgeblich um der hohen Arbeitslosigkeit unter Frauen abzuhelfen - als Dienstmädchen nach Deutschland melden sollten, auch in Göttingen einzelne Polinnen. Auf der Grundlage der ausgewerteten Einwohnermeldekarteien kann man aber davon augehen, dass dies insgesamt nicht mehr als zwanzig bis dreißig Polinnen gewesen sind. Polinnen wurden in der Stadt Göttingen bevorzugt in Gaststätten und in den Kliniken eingesetzt, in den umliegenden Dörfern Weende, Grone und Geismar in der Landwirtschaft.

Vor allem in den ersten Kriegsjahren arbeiteten manchmal auch Fläminnen und Niederländinnen in Göttinger Haushalten, und vereinzelt auch Französinnen. Sie kehrten in der Regel vor Kriegsende wieder in ihre Heimat zurück. Ab Ende 1943 waren auch vereinzelt slowenische sog. Umsiedlerinnen in Göttinger Haushalten tätig.

Das Gros der als Dienstmädchen beschäftigten Zwangsarbeiterinnen aber stellten die "Ostarbeiterinnen", die ab Oktober 1942 in den deutschen Haushalten nicht nur putzten und kochten, sondern auch als Kindermädchen sich häufig unauslöschlich in die Erinnerung der von ihnen betreuten Kinder eingegraben haben.

Einem Schreiben der deutschen Arbeitsfront vom 14.1.1943 an die Ehefrau des Geschäftsführers von Spindler & Hoyer kann man entnehmen, dass die hauswirtschaftlichen "Ostarbeiterinnen" in ihrer Freizeit im Lager Schützenplatz im Stopfen und Flicken unterwiesen wurden und auch ein paar Worte Deutsch lernen sollten, um den deutschen Hausfrauen wirklich von Nutzen sein zu können.

In mindestens 300 Göttinger Haushalten arbeiteten "russische" Dienstmädchen und versorgten – oft selbst noch halbe Kinder – die Säuglinge und Kleinkinder der Familien. Obwohl der Fron der Fabrikarbeit entzogen, bedeutete die Hausarbeit für die "Ostarbeiterinnen" dennoch keine Idylle. Es gab nicht nur verbale, sondern auch körperliche Misshandlungen von "Ostarbeiterinnen" in den deutschen Familien, auch in Göttingen.

Siehe dazu die Erinnerungen von Polinnen und ehemaliger "Ostarbeiterinnen", die in Göttinger Haushalten arbeiteten.

Im Sommer 1944 wurden alle hauswirtschaftlichen "Ostarbeiterinnen" in die Rüstungsindustrie umgesetzt. Von diesem Zeitpunkt an, konnten sich die Göttinger Hausfrauen im Lager Schützenplatz eine "Ostarbeiterin" für den Sonntag (deren einziger freier Tag) auswählen, die an diesem Tag bei ihr arbeitete. Viele der "Ostarbeiterinnen" meldeten sich gern für diese zusätzliche Arbeit, weil diese zumeist Wärme, etwas mehr zu essen und manchmal auch zusätzliche Kleidung bedeutete. Es sind auch die Erinnerungen einer Deutschen überliefert, deren Schwester ganz gezielt eine "Ostarbeiterin" von Schützenplatz holte, um ihr zu helfen.

"Ostarbeiterin" Maria Dimitrijewna T. mit den ihr anvertrauten Kindern (das Mädchen ganz rechts ist eine Nachbarin, das jüngste Kind der Familie fehlt auf dem Foto).


Literatur und Quellen:

Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen alte Einwohnermelderegistratur.

Aufruf Radom 17.7.1940, abgedruckt bei: Anschütz, Janet / Heike, Irmtraud, Feinde im eigenen Land. Zwangsarbeit in Hannover im Zweiten Weltkrieg, Bielefeld 2000, S. 234 f.

Ulrike Winkler, "Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen" – Zwangsarbeit in deutschen Haushalten, in: Dies. (Hg.), Stiften Gehen – NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln 2000, S. 148-168.

 


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