NS-Zwangsarbeit: Wäscherei Schneeweiß


Logo der Großwäscherei Schneeweiß aus den Göttinger Adressbüchern 1930 und 1937

Die Wäscherei Schneeweiß wurde 1882 als "Dampfwaschanstalt" von August Ganz und Louis Multhaupt in Göttingen gegründet. Vier Jahre später trat Theodor Stichnoth - der Schwiegersohn von August Gans - in das Unternehmen ein, das seitdem unter dem Namen "Gans und Stichnoth" firmierte, der 1989 in "Schneeweiß" geändert wurde. Theodor Stichnoth übertrug 1921 das Geschäft an seine Söhne August und Wilhelm und 1925 übernahm Wilhelm Stichnoth (1889-1959) die alleinige Leitung der Firma. Er führte u.a. die chmeische Reinigung ein. Im Jahr 1934 wurde der Mangelsaal umgebaut und 1936 die Wäscherei und ein neues Kesselhaus errichtet. 1939 wurden die Expedition und die Primaplätt-Abteilung neu gebaut und ein Luftschutzkeller eingerichtet. Während des Krieges bekam Schneeweiß Großaufträge vom Heeresbekleidungsamt in Hannover und wurde daher als "kriegswichtiger Betrieb" eingestuft. Schneeweiß betrieb auch die Wäscherei der Universitätskliniken.

  • Seit Dezember 1941 arbeiteten einige Französinnen bei Schneeweiß, sowohl als Sortierinnen als auch als Hilfsarbeiterinnen in der Wäscherei. Die erste Französin, die am 16.12.1941 zu Schneeweiß kam, war offensichtlich ihrem Mann gefolgt, der seit Mai 1941 in den Aluminiumwerken arbeitete. Im November 1942 kam eine Köchin aus Verdun zu Schneeweiß, die aber dort offensichtlich auch als Sortiererin arbeitete und obwohl mit einem Vertrag für ein Jahr ausgestattet erst im Februar 1944 wieder nach Frankreich zurückging. Die Stichnoths hatten außerdem von Februar bis April 1943 eine französische Hausgehilfin. Untergebracht waren die Französinnen entweder in der Wäscherei selbst oder in Privatquartieren in der näheren Umgebung (das Ehepaar in einer gemeinsamen Wohnung). Eine Französin, die im November 1942 zu Schneeweiß gekommen war, wurde im März 1944 in das "Arbeitserziehungslager" Watenstedt eingeliefert. Sie kam nach ihrer Haftzeit nach Göttingen zurück, eveventuell aber an einen anderen Arbeitsplatz.
  • Im April 1942 kam eine Gruppe von 18 jungen Frauen aus Charkow zu Schneeweiß, die später noch durch eine einzelne weitere "Ostarbeiterinnen" ergänzt wurde, deren Gesamtzahl demnach zwischen 20 und 30 gelegen haben dürfte. Die für die Verwaltung und Betreuung der Zwangsarbeiterinnen bei Schneeweiß zuständige Firmenangehörige, die nach eigener Aussage die Mädchen aus einem größeren Transport aus Charkow persönlich ausgesucht hatte, bestand auch noch fast 60 Jahre nach den Kriegsereignissen darauf, dass es sich bei dieser Gruppe um Freiwillige gehandelt habe, die von Büros in Charkow angeworben nach Deutschland gekommen seien, weil sie zu Hause keine Arbeitsmöglichkeiten hatten. Was die beschränkten Arbeitsmöglichkeiten zu Hause angeht, ist dies zwar richtig, doch wissen wir von Zeitzeugin, die zu diesem ersten Transport gehörte, dass es sich natürlich keineswegs um eine Anwerbung, sondern um eine Vorladung gehandelt hat. Wahrscheinlich war das eine der üblichen, mit rigorosen Strafandrohungen verbundenen Listenvorladungen, mit denen ganze Jahrgänge oder Dörfer zur Arbeit in Deutschland gezwungen wurden.
  • Auch einzelne Serben arbeiteten bei Schneeweiß: So kam im Oktober 1942 ein Serbe zu Schneeweiß, der im April seine ganze Familie nachholte und kurzzeitig im April/Mai 1943 ein weiterer Serbe bei Schneeweiß.
  • Ab September 1944 arbeitete eine Gruppe von Polinnen bei der Wäscherei Schneeweiß. Dies hing allerdings nicht - wie das Datum vermuten lässt - ursächlich mit den großen Deportation nach dem Warschauer Aufstand zusammen. Denn - bis auf eine Ausnahme - waren alle der uns bekannten Polinnen, die im Herbst 1944 zu Schneeweiß kamen, bereits vorher in Orten im Landkreis Göttingen Zwangsarbeiterinnen. Eine von ihnen war erst 13 Jahre alt und hatte zuvor schon in der Zuckerfabrik in Obernjesa gearbeitet. Einer Statistik des Ernährungsamtes kann man entnehmen, dass Polinnen bei Schneeweiß wahrscheinlich schon ab Oktober 1943 arbeiteten.
  • Im März 1944 wurde eine Säuglingsbaracke für in Göttingen geborene Zwangsarbeiterkinder und deren Mütter (mehrheitlich Polinnen aus dem Landkreis, auch einige "Ostarbeiterinnen") auf dem Gelände der Firma Schneeweiß aufgestellt. Schneeweiß, dass nach Aussage der damaligen Lagerleiterin weder Einfluss noch Interesse daran gehabt habe, dass diese Säuglingsbaracke auf dem Betriebsgelände aufgestellt wurde, sei dennoch froh über die zusätzlichen Arbeitskräfte gewesen. Verglichen mit den Zuständen in den "Ausländerkinderpflegestätten" andernorts, in denen die Säuglinge in der Regel von ihren Müttern getrennt einen langsamen Tod durch Hunger und Vernachlässigung starben, waren die Verhältnisse im Lager Schneeweiß, wo es immerhin genügend saubere Wäsche und heißes Wasser gab, vergleichsweise gut. Dennoch bestand auch hier die Verpflegung der Säuglinge mehr aus Wasser als aus Milch und auch in diesem Säuglingslager starben 11 der 28 Säuglinge, die bei Schneeweiß untergebracht waren, bevor sie ein Jahr alt waren. Damit lag die Sterblichkeit bei etwa 40 %. Die durchschnittliche Säuglingssterblichkeit bei den in Göttingen geborenen Zwangsarbeiterkindern lag bei etwas über 18 %. Damit war die Säuglingssterblichkeit für alle in Göttingen geborenen Zwangsarbeiterkinder mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Sterberate in Göttingen und das Lager Schneeweiß übertraf diese Quote noch einmal um das Doppelte.
  • Auch einzelne Holländer und ausweislich einer Lagerstatistik vom September 1944 auch Kroaten arbeiteten bei Schneeweiß.

    Nach einer Lagerstatistik waren bei Schneeweiß im August 1944 22 "Ostarbeiterinnen" und 25 Polinnen untergebracht; eine genauere Spezifizierung vom September 1944 zählt neben den "Ostarbeiterinnen" auch Kroaten, und Holländer auf und nennt als Zahlen: 4 Männer, 33 Frauen und 15 Kinder (im Säuglingslager Schneeweiß). Nach einer Statistik des Ernährungsamtes, in der die wöchentlich zu versorgenden Zwangsarbeiter aufgelistet sind, waren bei Schneeweiß zwischen dem 18.10.1943 und dem 3.4.1944 zwischen 7 und 10 nicht näher bezeichnete zivile Zwangsarbeiterinnen notiert, wobei es sich zum größten Teil um Polinnen gehandelt haben muss, was auch damit korrespondiert, dass diese Zahl nach der Einrichtung der Säuglingsbaracke im März 1944 sprunghaft von zunächst 21 (Mai 1944) auf über 50 ab September 1944 anstieg, um erst wieder im April 1945 auf 41 zurückzufallen. "Ostarbeiterinnen" waren in dieser selben Statistik zwischen Dezember 1943 und Mai 1944 zwischen 30 (Mai 1944) und 35 (März 1944) ausgewiesen, um dann bis Kriegsende zwischen 20 (Oktober 1944) und 28 (März 1945) zu schwanken. Für die "Ostarbeiterinnen" stimmt die Zahl mit der Angabe in der Lagerstatistik vom August 1944 überein. Für die Polinnen ist die Zahl in der Statistik des Ernährungsamtes fast doppelt so groß wie in der Lagerstatistik, was nicht nur darauf verweist, dass in der Lagerstatistik wie auch schon in anderen Zusammenhängen deutlich wurde, häufig zu niedrige Zahlen angegeben sind, sondern auch darauf, dass in der Statistik des Ernährungsamtes nicht nur Polinnen, sondern vielleicht auch die Französinnen oder andere Zwangsarbeiternationalitäten gezählt wurden. In einer Nachkriegsangabe, die auf Informationen des Oberbürgermeisters beruhte, werden für das Lager Schneeweiß 15 Männer und 65 Frauen angegeben, was nach den obigen Statistiken einigermaßen realistisch erscheint.

    Unterbringung:

  • Die Französinnen, die bei Schneeweiß arbeiteten, waren in der Regel in Privatquartieren untergebracht.
  • Alle anderen ZwangsarbeiterInnen von Schneeweiß waren in Unterkünften auf dem Firmengelände untergebracht. Einzelne "Ostarbeiterinnen" (insbesondere einige der Mütter) kamen aber aus dem Lager Schützenplatz einige Schneeweißarbeiterinnen wechselten ab 1943 dorthin.

    Bei Schneeweiß gab es seit Frühjahr 1944 ein Kinderlager für Säuglinge und Kleinkinder mit einer sehr hohen Sterblichkeitsqoute.


  • Eine Gruppe von "Ostarbeiterinnen" aus Charkow, die im April 1942 zu Schneeweiß kamen (Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32-Tollmien)


    Wäscherei Schneeweiß - Propagandafoto der DAF 1942 (Städtisches Museum Göttingen)


    Kantine Wäscherei Schneeweiß - Propagandafoto der DAF 1942 (Städtisches Museum Göttingen)


    Inneres der Zwangsarbeiterinnenbaracke der Wäscherei Schneeweiß - Propagandafoto der DAF 1942 (Städtisches Museum Göttingen)


    Quellen und Literatur:

    Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnermelderegistratur.

    Register Fremdenpässe angefangen 4.2.1942, Stadtarchiv Göttingen Acc. Nr. 1047/1991 Nr. 258 (Ordnungsamt).

    Lageraufnahme Belgischer Suchdienst, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Film Nr. 3, Nr. 1466.

    Handschriftliche Statistik vom 16.11.1942-31.12. 1945, Stadtarchiv Göttingen Ernährungsamt Nr. 50, o.P.

    Lagerlisten auf Anforderung der Gestapo vom 4.8.1944 und 6.9.1944, Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 541-546.

    Eckart Schörle, Gutachten zur Situation von "Zwangsarbeitern" bei der Firma Schneeweiß Göttingen während der Zeit des Nationalsozalismus, Göttingen im September 2000 (Manuskript im Stadtarchiv Göttingen).

    Cordula Tollmien, Slawko, Stanislaw und France-Marie. Das Mütter- und Kinderlager bei der Großwäscherei Schneeweiß in Göttingen 1944/45, in: Andreas Frewer / Günther Siedbürger (Hg.), Medizin und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Einsatz und Behandlung von „Ausländern“ im Gesundheitswesen, Frankfurt/M./New York 2004, S. 363-388.

    Das nationalsozialistische Lagersystem, herausgegeben von Martin Weinmann, mit Beiträgen von Anne Kaiser und Ursula Krause-Schmitt, Frankfurt am Main 1990, S. 472.

     


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