"Ostarbeiter":
Nachdem es wegen der geringen Löhne der "Ostarbeiter", denen nach Abzug der "Ostarbeitersteuer" und den für Verpflegung und Unterkunft in Rechnung gestellten Kosten in der Regel nichts oder fast nichts ausbezahlt wurde, auch zu Protesten bei den deutschen Unternehmern gekommen war, war die Entlohnung der "Ostarbeiter" am 30. Juni 1942 neu geregelt worden. Es gab nun ein tabellarisch festgelegtes Nettolohnsystem, nach dem es für höhere Arbeitsleistungen auch höhere Löhne geben sollte. Grundlage war der Lohn eines vergleichbaren deutschen Arbeiters, von dem eine vom Unternehmer abzuführenden sog. Ostarbeiterabgabe abgezogen wurde, mit der man verhindern wollte, daß die sowjetischen Arbeiter für die Unternehmen billiger als deutsche Arbeiter seien. Man befürchtete, daß es sich für den einzelnen "Betriebsführer" eventuell lohnen würde, deutsche Arbeiter zu entlassen, um Ostarbeiter einzustellen - eine angesichts des allgemeinen Arbeitskräftemangels allerdings wohl relativ unbegründete Befürchtung. Nach dieser Tabelle konnte ein "Ostarbeiter" nach Abzug der Kosten für Unterkunft und Verpflegung je nach Arbeitsplatz und Leistung zwischen 0,10 RM und 2,40 RM am Tag bzw. zwischen 1,05 RM und 18,90 RM in der Woche oder 6,00 RM und 84,00 RM im Monat verdienen.
Dieses System scheint aber in der Realität nur selten bis gar nicht umgesetzt worden zu sein. Für Göttingen berichten ehemalige "Ostarbeiter" jedenfalls übereinstimmend, daß sie entweder überhaupt niemals Lohn ausbezahlt bekommen hätten, oder aber 2 RM für zwei Monate bis 2 RM wöchentlich oder - die höchste genannte Summe - 20 RM im Monat. Die Reichsbahn forderte von der Stadtverwaltung im Dezember 1944 für jeden der vier zur Verfügung gestellten Ostarbeiter pro Woche 21,- RM für vorauslagten Lohn zurück. Wenn man davon die üblichen 1,50 RM täglich für Unterkunft und Verpflegung abzieht, würde dies bedeuten, daß die betreffenden "Ostarbeiter" immerhin einen Wochenlohn von 10,50 RM ausbezahlt bekommen hätten. Dem widerspricht allerdings die Aussage eines ehemaligen Zwangsarbeiters aus der Ukraine, der berichtet, daß er für seine Zwangsarbeit bei der Reichsbahn in Göttingen niemals Geld bekommen habe. Denkbar ist sowohl, daß die Reichsbahn das von der Stadt Göttingen überwiesene Geld nicht an die Zwangsarbeiter weitergab, als auch (und dies ist wahrscheinlicher), daß in der genannten Summe die "Ostarbeiterabgabe" enthalten war. Dann nämlich wäre für die betreffenden Zwangsarbeiter tatsächlich nichts oder fast nichts übrig geblieben.
Siehe dazu beispielsweise die Erinnerungen der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen von Schöneis (später Reichsbahn).
und die Berichte der weißrussischen Kinderzwangsarbeiter über ihre Entlohnung in den Aluminiumwerken.
Nikolai Sawtschantschik über seine Entlohnung bei Rube & Co.
"Ostarbeiter" und Niederländer im Vergleich:
Da der Holländer Cees Louwerse eine ukrainische Freundin in Göttingen hatte, die wie er im Flakzeugamt arbeitete, haben wir einen direkten Vergleich zwischen den Löhnen eines West- und eines Ostarbeiters (die Zahlen und Daten stammen von der Homepage "Zwangsarbeit in Niedersachsen"):
Cees Louwerse erhielt für seine Arbeit im Flakzeugamt einen Monatslohn von 162,03 Reichsmark (RM), von dem 52,82 RM abgezogen wurden, so dass ihm 109,21 RM blieben. Seine ukrainische Freundin Marusja erhielt brutto nur 75,74 RM Monatslohn. Davon blieben nach Abzug von 68,81 RM nur noch 6,93 RM als auszuzahlender Monatslohn übrig.
Alle beide hatten von ihrem Zwangsarbeitslohn Abzüge für die deutsche Krankenversicherung, Lohnsteuer und die „Deutsche Arbeitsfront“; Marusja wurde überdies – anders als Cees – auch ein hoher Beitrag für das NS-„Winterhilfswerk“ abgezogen. Der größte Unterschied auf der Minusseite bestand aber in dem Posten „“Einbeh[alten]“, wo bei Cees Louwerse immerhin 27,- RM, bei Marusha jedoch fast das doppelte, nämlich 48,- RM in der Lohnabrechnung eingetragen sind. Dabei handelte es sich um den Betrag, den das Flakzeugamt den Zwangsarbeitenden für Unterkunft (Barackenlager) und Verpflegung in Rechnung stellte. Wahrscheinlich ist bei Marusja in den 48,- RM auch noch die vom Unternehmer an den Staat abzuführende „Ostarbeiterabgabe“ enthalten.